Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
hätte, sich jedoch nicht traute. Walter jedenfalls war immer froh gewesen, dass ihr argloses Gemüt die junge Frau davor bewahrte, das Gemeine mancher Lästereien zu bemerken. Er wusste, dass der Vater der Kinder sie und die Kleinen übel misshandelt hatte und wegen schwerer Verbrechen zurzeit eine lange Haftstrafe absaß. Elvira Bauer würde jede Unterstützung brauchen können, die zu bekommen war. Hier in Waldau schienen die drei zu einem geregelten Leben zu finden. Die Kleine machte sich gut in der Schule. Fritzi ging in den Kindergarten. Elvira Bauer half stundenweise am Empfang in der Arztpraxis aus. Alles schien besser zu werden, doch nun passierte das!
Im Laufschritt kamen Walter und Elvira Bauer am Dorfteich an. Inzwischen war weiträumig ein Sperrband gezogen worden. Die Spurensicherung hatte mit dem Fotografieren und Messen begonnen. Hastig informierte Dreyer seine Kollegen: »Dany ist nicht zu Hause. Sucht hier nach dem Mädchen. Ich bringe die Mutter nur rasch zum Gutshaus und komme gleich wieder her.«
Als Elvira Bauer ihren kleinen Sohn friedlich im Bett schlummern sah, fing sie heftig an zu weinen. Walter nahm sie in den Arm. »Es geht ihm gut, wirklich. Und Dany finden wir auch.« Er sprach sich selber Mut zu.
»Mama!« Fritzi war aufgewacht. »Mama! Warum weinst du denn?«
Elvira Bauer lief zu ihm hin und herzte ihren Jungen, der gar nicht wusste, was los war. Und dann erblickte er den Polizisten und verteidigte sich sofort: »Wir haben nichts gemacht!«
Obwohl er sich elend fühlte, musste Walter schmunzeln. »Das stimmt, ich weiß. Ich bin richtig froh, dass es dir gut geht. Deine Mama freut sich auch. Deswegen weint sie ein bisschen.«
»Weil sie froh ist?«, wunderte sich Fritzi.
Walter erklärte: »Hm, Erwachsene weinen dann manchmal ... Sag mal, weißt du, wo Dany ist?«
»Sie war nicht bei mir!«
Elvira Bauer bekam einen Schreck. »Nicht bei dir? Habt ihr denn nicht zusammen gespielt?«
»Doch. Sie traute sich nur nicht mit auf den Teich.«
Das klang gut in Walters Ohren, denn dann war sie nicht mit ins Eis eingebrochen. »Wo war sie denn?«
»Sie stand am Rand und hat gesagt, ich soll nicht ...« Nun fing Fritzi bitterlich zu weinen an.
Walter versuchte, ihn zu trösten: »Ist schon gut. Ich gehe dann mal deine Schwester suchen. Und heute Nachmittag komme ich sicher noch mal bei euch zu Hause vorbei. Vielleicht kann ich auch schon dein Fahrrad mitbringen.«
»Was ist denn hier los? Walter! Und Sie?« Im Schlafanzug stand Astrid Ahlsens verwirrt in der offenen Tür. Auf Leons Bett saß Elvira Bauer und hatte Fritzi im Arm und davor stand die Polizei in Gestalt ihres Dorfpolizisten. Träumte sie noch?
»Oh, Astrid.« Walter kam auf sie zu. »Du wirst dich erkälten. Leon hat den Kleinen heute Morgen durchfroren gefunden und seine Mama will ihn gerade abholen.« Sanft schob er sie in ihr Zimmer zurück, um sie genauer aufzuklären. Er konnte ja schlecht vor dem Kind von dem Mordversuch und der Leiche erzählen.
Astrid nahm die ganze Angelegenheit wohltuend interessiert auf. »Da hat Leon ja mal eine gute Tat vollbracht. Und wer ist der Tote?«
»Er ist nicht von hier. Ganz genau konnte ich ihn mir aber noch nicht ansehen.« Vom Flur war auf einmal ein Stimmengewirr zu hören. »Das klingt nach deinem Onkel, Astrid.«
Botho Ahlsens führte den Waldauer Arzt, Martin Bach, gerade in Leons Zimmer und war ziemlich ungehalten. »Was macht dieser Junge in Leons Bett? Was zum Teufel geht hier vor?« Er war nach dem anstrengenden Gespräch mit Leon in sein Büro gegangen und dort in eine Arbeit so vertieft gewesen, dass er von den reichlichen Aufregungen des Morgens gar nichts mitbekommen hatte und richtig hochschrak, als es an der Tür klopfte und der Arzt um Einlass bat. »Dreyer. Astrid. Was ist hier los?«
Walter nahm den Hausherrn kurzerhand beim Arm und bat ihn in die Küche. Astrid schlug er vor, mitzukommen und Kaffee zu kochen. So konnte er beiden zugleich etwas ausführlicher die Ereignisse schildern.
Sie hörten ihm aufmerksam und ohne Zwischenfragen zu, bis er seinen Bericht beendete: »Leon ist noch mit draußen. Martin Bach untersucht den Kleinen gerade, dann kann Fritzi sicher wieder nach Hause gehen.«
»Dem Kind geht es so weit ganz gut«, trat der Arzt wenig später zu ihnen, »der Junge braucht vor allem Zuspruch und Wärme. Der wird schon wieder.«
»Leon hat dem Kleinen das Leben gerettet, Astrid.« Botho Ahlsens sah seine Nichte bei diesen Worten an, als
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