Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Ledertasche. Breite Klinge mit Zacken. Prahlt rum damit. Unn mit seinem Knast. Soll uns wohl Eindruck machen!«
»Was kann man denn da prahlen?« Judith Brunner tat ahnungslos.
»Na, so Jeschichten eben, wie man aus Rasierwasser wat zum Trinken macht, wie man hinter Jittern Handel treiben kann ... Der hat jedenfalls nicht jelitten dort. Hat oft erzählt, wie er andere fertichjemacht hat und er der Boss war. Wir sollten sogar hier alle Boss zu ihm sagen. Nur jut, dass ich nach dem im Knast war.«
Judith Brunner fragte nach: »Sie sagten, er hatte immer ein Messer dabei. Jetzt nicht mehr?«
Der junge Mann vom Bauhof überlegte. »Nee, schon ein paar Tage nich mehr. Hat beim Frühstück eins vom Bauwagen jenommen.«
»Erinnern Sie sich noch, ab wann Lemke das andere Messer benutzt hat?«
»Nee.«
»Denken Sie bitte darüber nach. Das ist wichtig! Wir melden uns deswegen noch mal bei Ihnen«, machte Judith dem Bauarbeiter klar.
»Wo muss ich denn nun hin?« Dr. Grede unterbrach das Gespräch nur ungern.
»Einfach anhalten. Hier isses.« Ihr Wegweiser öffnete die Tür. »Ich hau ab.«
»Von welchem Gefängnis redeten Sie eben?«, rief ihm die Hauptkommissarin nach.
»Stendal«, kam die Antwort. Der Mann winkte im Gehen nur unwillig ab.
Judith Brunner und Dr. Grede stiegen aus und betrachteten das Haus. Ein winziges Domizil in einer schmalen Nebenstraße. Auf den ersten Blick war nichts Beunruhigendes zu sehen. Die wenigen Nachbarhäuser wirkten zwar gepflegter, doch auch Berthold Lemke hielt sein Zuhause offenbar in Ordnung. Die Fensterrahmen hätten freilich einen neuen Anstrich gut vertragen, dagegen war die hölzerne Haustür sorgfältig geschliffen und lackiert worden.
Mit wenigen Schritten waren sie dort und die Ermittlerin klopfte energisch an. Wie erwartet, war keine Reaktion zu vernehmen. Sie wiederholte das Anklopfen und rief: »Herr Berthold Lemke. Machen Sie die Tür auf. Wir sind von der Polizei.«
Als sich wieder nichts rührte, schlug Dr. Grede vor: »Wir versuchen es hinten, da schließen viele nicht ab.«
Tatsächlich ließ sich die Hoftür des Hauses aufklinken.
»Wir kommen rein!«, rief Grede laut.
Doch im Haus war niemand anwesend. Auf den ersten Blick war in den unteren zwei Zimmern nichts zu entdecken, was im Moment weiterhelfen konnte.
»Wir müssen später noch mal her«, stellte Judith Brunner fest. Sie stieg vorsichtig eine schmale Treppe nach oben. Unter dem Dach befand sich eine kleine Schlafkammer. Das Bett war benutzt, und ein paar getragene Kleidungsstücke hingen über einem Stuhl. Neben dem Bett stand ein Hocker, der wohl als Nachttisch diente. In einem Aschenbecher lagen drei Kippen. Eine Kinozeitung lag aufgeschlagen daneben. Vom Giebelfenster aus hatte man einen guten Blick auf den Wiepker Feuerlöschteich. Alles passte. Aber der Vogel war ausgeflogen.
~ 59 ~
Fritzi wollte spielen. Am besten draußen in den Glashäusern, auch wenn die kaputt waren. Die Mama wollte nicht, dass er und seine Schwester dort spielten. Wegen der vielen Glasscherben. Sie könnten sich tief in den Finger schneiden, hatte die Mama gesagt, und das würde schlimm wehtun und bluten. Fritzi überlegte. Vielleicht war Leon wieder da und er konnte ihm helfen? Zumindest hörte er immer wieder Geräusche, die darauf schließen ließen. Es hatte Fritzi großen Spaß gemacht, mit dem riesigen Besen den Weg zu fegen. Erst klappte es nicht, dann aber hatte Leon den Stiel ein Stück abgesägt. Nun konnte er wirklich gut anfassen. Einen richtig großen Dreckhaufen hatte er zusammengefegt und Leon hatte sich gefreut und gesagt, er sei sein bester Helfer. Fritzi wollte heute unbedingt wieder fegen gehen.
Doch dann war der Polizist gekommen. Alle mussten zu Hause bleiben. Mama hatte Milch und Kuchen ausgeteilt und ihn mit seiner Schwester ins Wohnzimmer geschickt. Nun saß der Mann mit Mama in der Küche. Sie redeten leise. Er konnte den Polizisten gut leiden, hatte auch gar keine Angst mehr vor ihm. Warum durfte er nicht raus? Durch die offene Tür sah der Mann immer wieder zu ihm und Dany, die malend am Tisch saß. Fritzi war es langweilig.
Walter Dreyer erklärte Elvira Bauer die Situation: »Wir suchen einen der Männer, die Ihre Wohnung renoviert haben. Die Firma war aus Wiepke. Er steht im Verdacht, den Mann aus dem Teich und einen anderen in Breitenfeld umgebracht zu haben. Er kannte Waldau ganz gut. Auch die leere Wohnung im Haus nebenan. Dort hatten die Bauarbeiter damals ihr Material
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