Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
los.«
»Ja.«
»Also, wollen wir?«
»Ja. Und nun geh rein.«
Es gab kein Klingelschild oder sonst einen Hinweis auf den Namen der Bewohner. Gleich beim Öffnen der groben hölzernen Tür sahen sie rechts auf dem riesigen Hof zwei Männer mit verschwenderischer Statur, die an einem Traktor werkelten. Beide sahen rotgesichtig zu ihnen auf und legten langsam ihr Werkzeug beiseite. Entgegen kamen sie ihnen nicht.
»Guten Tag. Darf ich Ihnen meine Kollegin vorstellen? Hauptkommissarin Brunner von der Gardelegener Polizeidienststelle. Und das sind Hans Moltke und sein Sohn Hans. Sie arbeiten im Schweinestall und waren sicher heute Morgen unterwegs.«
Judith musterte die beiden Männer unauffällig. Unter verschmutzten, blauen Arbeitsanzügen trugen sie groß karierte, dicke Hemden. Klobige Filzstiefel und verschwitzte Halstücher mit einem winzigen Blümchenmuster schützten vor der Kälte.
Hans Moltke, der Vater, übernahm das Antworten: »Tach. Wegen der Leiche, was?«
»Ja. Wir haben Sie dort stehen sehen. Vielleicht können Sie uns helfen. Sie sind immer frühmorgens im Dorf unterwegs. Wann sind Sie heute los?«
»Gegen fünf, wie immer. Im Dustern.«
»Zusammen?«
Beide nickten.
»Beschreiben Sie mir bitte Ihren Weg?«
Judith Brunner handelte sich brummige Blicke ein, allerdings antwortete der jüngere von beiden, immerhin schon an die Vierzig, dann doch: »Hier vom Hof die Straße rauf, bis ans andere Ende vom Dorf, dann nach links auf die Pflaumenallee zu und kurz danach rechts Richtung Schwiesau. Dauert fuffzehn Minuten.«
»Sind Sie jemandem begegnet?«, wollte Judith Brunner weiter wissen.
Nun antwortete der Vater: »Heute nich, is ja Sonnamd, da sinn nich so viele unnerwegs.«
»Also war alles wie immer?«
Wieder ein doppeltes Nicken.
»Und wann waren Sie auf dem Rückweg?«
»Na, gegen halb zehn sind wir immer fertig im Stall und gehen nach Hause zum Frühstück. Und da war das dann am Teich mit dem Toten. Da haben wir kurz haltgemacht.«
»Also war auf dem Hin- und Rückweg alles wie sonst auch?«, vergewisserte sich Judith Brunner.
»Da schon, ja.« Irgendwie kam das sehr zögernd vom alten Hans.
Walter Dreyer hob fragend eine Augenbraue.
»Na im Stall war wat anners.«
»Was war anders?« Walter hatte Geduld.
»Als wir ankamen, stand der Rudi da und starrte unsre neue Mistkarre an, als wenn se een Raumschiff wär.«
»Rudolf Stoll, der dort sauber macht?«
Hans Moltke nickte. »Rudi sachte, dass die Karre wedder da wär. War wohl mal wech. Hatte er uns aber nich erzählt!«
»Nur jetzt, dass se wedder da ist. So ’ne Lastenkarre, schön silber.« Hänschen blickte irgendwie stolz bei dieser Wortmeldung.
»Gut.« Walter blieb gelassen. »Sie sind dann mit Stoll zusammen weg?«
»Jo, er stand noch mit am Teich und wollte dann auch nach Hause. Wir müssen ja um zwei wedder hin zum Stall.« Vater und Sohn sahen sich deutlich nach ihren Werkzeugen um.
»Danke, Sie haben uns sehr geholfen. Vielleicht kommen wir noch mal vorbei. Falls Ihnen noch etwas einfällt, wissen Sie ja, wo mein Büro ist, Herr Moltke.«
Man nickte sich verabschiedend zu und Walter Dreyer und Judith Brunner eilten zu seinem Büro, um die Spurensicherung wieder zurückzuholen.
Walter übernahm das Telefonieren. Die Begeisterung bei den Kollegen hielt sich erwartungsgemäß in Grenzen. »Wir haben den ganzen Kram gerade reingebracht und wollten es uns damit im Labor gemütlich machen. Eine Mistkarre? Schöner Mist!« Thomas Ritter fluchte ungeniert, versprach aber, sofort jemanden loszuschicken.
»Auf zum Schweinestall«, wies Walter galant auf ihr nächstes Ziel hin und schloss energisch seine Bürotür.
Judith versuchte, sich den Weg dahin genau einzuprägen. Möglicherweise war ja die Leiche hier lang transportiert worden. Walter überlegte. »Eine Mistkarre würde gereicht haben, um den Mann zu bewegen. Das Mordopfer war schlank. Groß genug wäre so ein Ding. Kein Problem, und es müssten sich jede Menge Spuren finden.«
»Hoffen wir, dass das gute Stück noch da ist.«
»Und dass es überhaupt zu unserem Fall passt. Nicht, dass es sich jemand bloß ausgeliehen hatte, um seine Abfälle zu transportieren.«
Sie hatten Glück. Die erstaunlich saubere Mistkarre stand unter einem Vordach, neben drei anderen, am Ende einer Reihe. Das helle Metall hob sich deutlich vom grün abgestoßenen Stahlrohr der anderen Karren ab, ebenso der viel schmalere Luftreifen. Sein Profil war noch wie neu, und als Walter
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