Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
nutzen durfte. Judith Brunner und der Mediziner kannten sich schon lange von gemeinsam bearbeiteten Fällen bei der Bezirksbehörde. Nach seiner Pensionierung hatte sich Dr. Renz vor einiger Zeit in der Altmark niedergelassen und unterstützte die Polizei manchmal bei Ermittlungen. Er galt als Kapazität auf seinem Gebiet. Judith schätzte darüber hinaus seine Kultiviertheit, fern jeder eitlen Pose, die in ihrem eigenen Kollegenkreis immerhin eher selten war.
Als sie im Keller des Krankenhauses an den verschiedenen Räumen mit ihren Glastüren vorbeigingen, erinnerte sich Walter Dreyer bis ins Einzelne an die Ermittlungen des letzten Herbstes, als er hier zum ersten Mal über eine Leiche gebeugt die Ergebnisse einer Obduktion erfuhr. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, daraus eine Gewohnheit werden zu lassen.
Im vorletzten Raum sahen sie durch die Tür, wie Dr. Renz gerade behutsam ein Tuch über einen Körper zog und einen Moment innehielt. Als Walter die Tür öffnete, sah der Rechtsmediziner auf. »Ah, da sind Sie schon. Bin eben mit den gröberen Dingen fertig geworden, einen Augenblick bitte, ich bin gleich für Sie da«, rief er ihnen zu und verschwand im Waschraum.
Nach wenigen Minuten erschien er munter, frisch zurechtgemacht und begrüßte sie nun persönlich: »Kein schöner Nachmittag, was? Ihr Wochenende hatten Sie sich sicher auch anders vorgestellt. Sind Sie auf Wohnungssuche gewesen, Frau Brunner?«
Die Frage klang harmlos. Natürlich wusste Dr. Renz schon Bescheid. Alte Kontakte zum Bezirk hatten ihm längst von Judith Brunners Versetzung berichtet.
»Nein, nein, dazu hatte ich noch gar keine Zeit. Ich habe von der Versetzung erst letzte Woche erfahren. Ich wollte mich in Waldau nach meinem Quartier erkundigen, das ich im Oktober hatte. Vielleicht kann ich vorerst dort wohnen.«
Walter zollte ihr im Stillen Hochachtung für diese wirklich brauchbare Begründung ihres Besuches in seinem Dorf. Daran würde sich niemand stoßen können.
»Es gibt eine Menge hübscher Orte hier in der Gegend, wenn Sie also Hilfe bei der Suche benötigen ...« Das Angebot von Dr. Renz hatte nichts Indezentes.
»Wir sind über Poppau gefahren«, lenkte Judith trotzdem etwas vom Thema ab.
Nun schmunzelte Dr. Renz. »Ich gebe zu, es hat mich beim ersten Mal schon ein wenig Überwindung gekostet, einen alten Bauern, der seine Hühner zurück auf den Hof scheuchte, nach dem Weg zum Mittelpunkt der Welt zu fragen, aber es war den Spaß wert. Er meinte in völligem Ernst, ich solle bis an die Ecke gehen, da sähe ich ihn schon … Na, dann kommen wir mal zu dem Toten. Der Mann ist Mitte Vierzig, war gesund, recht athletisch. Er hat schwarze, kurze Haare, braune Augen. Keine Narben oder ähnliche Merkmale.«
Sie traten an den Stahltisch und besahen sich zunächst den Kopf. »Hier, das ist die tödliche Wunde. Ein eingeschlagenes Schädeldach. Einige Knochensplitter. Ein kräftiger Hieb. Er war sofort bewusstlos und wenig später tot. Sie sollten nach einem scharfen, maximal 10 cm breiten Werkzeug suchen, ein Beil, eine Hacke, irgendwas in der Richtung.«
»Na prima! Ein Beil oder eine Hacke, davon gibt es ja auf jedem Hof nur ein paar Dutzend!« Walter Dreyer sah eine Menge Arbeit auf sich zukommen.
»Ich werde die Knochen noch unter mein Mikroskop legen, dann müsste ich Schartenspuren erkennen können, die von der Schneide des Werkzeuges verursacht worden sind. Das sind sehr individuelle Spuren. Zumindest könnten Sie einen Abgleich versuchen, wenn Sie ein relevantes Werkzeug gefunden haben«, bot Dr. Renz an.
»Und diese anderen Wunden?« Judith Brunner deutete auf den Leib des Ermordeten.
»Wie ich schon vermutete, postmortal und an den richtigen Stellen angebracht, um ein Auftauchen zu verhindern. Mit einem recht scharfen Gegenstand, fast gesägt, es sind ausgefranste Wundränder, tiefe Schnitte. Erst wurde tief in den Körper gestochen und dann die Schnitte gezogen. Vor allem im Magen und im Gedärm, in die Lunge einzelne Stiche.«
»Wie lange lag er schon im Wasser?«
»Das kann ich leider immer noch nicht genau sagen. Ritter hat 4° Celsius gemessen, also kaltes Wasser, das hat ihn hervorragend konserviert. Da dauert selbst die Waschhautbildung mehrere Tage oder gar Wochen, von den anderen Veränderungen ganz zu schweigen. Die Totenflecke sind nur schwach ausgeprägt. Seinen Mageninhalt hat das Labor schon oben, damit müsste sich seine letzte Mahlzeit feststellen lassen.«
Judith Brunner besah sich die
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