Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
unterbrach sie leise: »Judith, wo ist dann das Problem? Jetzt bist du hier und ...« Er streichelte ihr sanft über die Wange und wollte sie küssen.
Sie wehrte ebenso sanft ab und fuhr fort: »Als ich damals hier weg bin, habe ich wenig später ein Versetzungsgesuch geschrieben.«
Der Satz klang erst einmal ganz vernünftig. Walter erinnerte sich an ein kurzes Gespräch mit Judith über ihre Unzufriedenheit bei der Bezirksbehörde und über berufliche Alternativen. Ihn überraschte nur der prompte Themenwechsel.
»Na, und letzte Woche wurde ich dann versetzt.«
»Aha. Glückwunsch«, es gelang Walter, beiläufig zu klingen, »und wohin?«
»Das ist der Grund, weswegen ich hier bin.« Sie sah ihn inständig an. »Nach Gardelegen. Ich leite ab Montag die Kreisdienststelle.« Nun war es raus.
Also kein Themenwechsel! Beide schwiegen eine kurze Ewigkeit.
»Dann haben wir wirklich ein Problem«, erkannte Walter. Judith würde seine Vorgesetzte sein!
»Ja, und ich wusste nicht, wie ...«
»Und, um mir das zu sagen, bist du hergekommen?«
»Ja. Deswegen, und weil es mir leidtut, dass ich mich seit dem Herbst nicht gemeldet habe.« Sie klang ziemlich unglücklich.
»Dann ist das Problem schon etwas kleiner, Judith. Denn dann fällt uns etwas ein.« Er flüsterte fast, und diesmal ließ sie sich trösten.
Von draußen hörten sie Schritte und kurz darauf rief Laura: »Walter, seid ihr noch hier? Ja! Ein Glück! Was machen wir mit dem Kopf?«
»Sülze, denke ich, wie immer.« Er musste grienen.
»Na gut, das schaffen wir aber erst morgen, der kocht ja ewig. Noch sind die Würste drin. Oh, Judith, was ist denn los? Sie sehen so geschafft aus. Wird es ein schwieriger Fall?«
»Ach, ich bin nur etwas müde, ist schon gut, danke.«
Walter sprang ein: »Kannst du sie wieder bei dir unterbringen, Laura? Wir werden wohl ein paar Tage hier ermitteln müssen.«
»Sicher, kein Problem. Bis nachher dann. Sülze also.« Und weg war sie.
»Wie nun weiter?«
Worauf sich Judiths Frage bezog, war Walter nicht ganz klar. An konkreten Vorschlägen konnte er in diesem Moment nur einen bieten: »Wir hören uns erst einmal hier im Dorf um, sicher hat jemand heute Morgen etwas gesehen.«
»Einverstanden«, meinte Judith, vorsichtig lächelnd.
~ 12 ~
»Wir fangen am besten bei den Merkers an, im Haus gegenüber vom Teich«, schlug Walter vor, »erinnerst du dich? Er ist der Wirt und sie die Postfrau. Sie wird auch heute Morgen die Post für das Dorf geliefert bekommen haben und war sicher beim Vorsortieren, als die Kinder beim Teich ankamen.«
»Dann wird sie jetzt unterwegs sein«, befürchtete Judith.
»Oh nein, sie ist lange zurück, bis elf wollen die Leute alles in ihrem Briefkasten haben.«
Walter Dreyer hatte recht. Eine muntere Frau in mittleren Jahren, die offensichtlich gerade beim Hausputz war, öffnete ihnen schwungvoll die Tür. »Habe mir schon gedacht, dass Sie kommen, wegen des Toten. Passen Sie auf, der Fußboden ist noch nass.« Sie stellte Wassereimer und Wischmopp beiseite, trocknete sich die Hände an der Kittelschürze ab und wies sie freundlich zu einer rustikalen Sitzecke in ihrer Küche. »Einen Kaffee?«
»Nein, danke, wir haben uns gerade gestärkt. Das hier ist meine Kollegin, Frau Hauptkommissarin Brunner. Wir untersuchen den Fall. Woher wissen Sie denn von dem Toten?«
»Na, Sie sind gut! Alle wissen Bescheid! Meine Runde hat heute eine halbe Stunde länger gedauert als sonst, jeder wollte darüber reden.«
»Und wer hat es Ihnen zuerst erzählt?« Walter Dreyer führte das Gespräch allein weiter, so hatte Judith es ihm vorgeschlagen. Sie wollte nur zuhören.
»Der Heini Müller von der Feuerwehr, dem bin ich begegnet. Er suchte mit seinen Kumpels das Mädchen und hat mich gefragt, ob ich Dany gesehen hätte. Haben Sie sie gefunden?«
»Ja, es geht ihr gut. Ihrem kleinen Bruder auch. Was haben Ihnen die Leute nun so erzählt?«
»Geschimpft haben einige, dass die Frau Bauer nicht auf ihre Kinder aufpassen kann. Und gefragt haben sie natürlich, was mit dem Toten ist. Die dachten, ich hätte ihn schon gesehen, weil ich nahebei wohne.«
»Und haben Sie sich ihn angesehen?«
»Nee, ich war unterwegs, und dann war der schon weg, als ich zurückkam.«
»Hm, hat jemand gewusst, wer es war?«
»Mir hat keiner so was gesagt.«
»Frau Merker, Sie sind doch Frühaufsteherin«, die Postfrau schien das als Kompliment aufzufassen, denn sie strahlte Walter Dreyer dankbar an, »und
Weitere Kostenlose Bücher