Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Beseitigung der Leiche und die dazu notwendige Manipulation etwas auszudenken«, ergänzte Dr. Grede.
»Wer ist der Tote?« Lisa Lenz, die, an den Türpfosten gelehnt, im Büro geblieben war, fragte nach diesem wichtigen Fakt.
Judith Brunner tolerierte ihre Anwesenheit. »Bisher konnte der Mann nicht identifiziert werden. Seine Fingerabdrücke haben wir aber schon bekommen« – Dr. Grede nickte – »und den Gebissabdruck macht das Krankenhaus uns noch. Papiere haben wir nicht gefunden.«
Thomas Ritter hob bedauernd die Schultern. »Seine Kleidung ist von guter Qualität, Markenjeans aus hochwertiger Baumwolle, teure Schuhe und Ledergürtel mit silberner Schnalle. Wir sind aber damit noch nicht fertig«, fügte er wie zur Entschuldigung hinzu.
»Das ist schon eine merkwürdige Fundsituation. Wo ist seine Oberbekleidung?«, fragte Dr. Grede, als er die Fotos nochmals genau betrachtete.
»Und wo sind die Sachen des kleinen Jungen?«, ergänzte Lisa.
»Richtig, gute Ansatzpunkte«, stimmte Judith Brunner ihren Mitarbeitern zu und informierte weiter: »Nach der Obduktion steht nun fest, dass er erschlagen wurde, mit einem scharfen Gegenstand. Dr. Renz meinte, eine Hacke oder ein Beil kommen infrage.«
»Na, dann sind wir ja schnell fertig, so was hat auf dem Lande kaum jemand in seinem Schuppen«, teilte Ritter sarkastisch die Meinung Walter Dreyers zu diesem Hinweis.
»Das Mädchen, Dany, lag ungeschützt da, nicht entkleidet oder versteckt wie der Junge. Das sollten wir bedenken«, fuhr Judith Brunner fort: »Und noch etwas ist eigenartig: Unser Opfer ist vor seinem Tod angefahren worden. Mit einem Pkw, und zwar bei niedriger Geschwindigkeit. Ausschließlich Brüche von Schien- und Wadenbein, sonst keine Verkehrsunfallspuren.«
»Ein Unfall? Der müsste hier gemeldet sein!«, war sich Lisa Lenz sicher.
»Vor Ort war nichts bekannt, aber vielleicht geschah der Unfall ja auch nicht in der Nähe von Waldau«, vermutete Judith Brunner.
»Oder es war kein Unfall.« Alle sahen Thomas Ritter an. »Was guckt ihr denn so? Vielleicht hat der Mörder zunächst auf diese Weise versucht, den Mann umzubringen?«
»Dann hätte der Täter aber schneller fahren müssen«, gab Dr. Grede zu bedenken.
Ritter wollte seine Idee nicht so schnell aufgeben. »Konnte er unter Umständen nicht. Eventuell hat das Opfer aber instinktiv versucht, das Fahrzeug mit den Händen aufzuhalten, oder sich abgestützt, als es angefahren wurde. Auf der Motorhaube könnten wir noch Abdrücke finden.«
Judith Brunner schaltete sich wieder in die Diskussion ein: »Wir prüfen beide Möglichkeiten. Frau Lenz, Sie sehen bitte die Unfallberichte durch. Und geben Sie bitte auch noch eine Fahndung nach einem verlassenen Fahrzeug raus. Unser Toter ist ja nicht vom Himmel gefallen. Wenn der Mann mit einem Auto unterwegs war, hatte er vielleicht eine Panne oder musste tanken. Auch dabei könnte der Unfall passiert sein. Zunächst müssen wir ihn dringend identifizieren.«
Lisa schenkte allen Kaffee nach und so wurde die angeregte Diskussion einen Moment unterbrochen. Das Geschirr war ein Sammelsurium verschiedenster altmodischer Servicereste, auch die Kaffeelöffel waren jeweils Einzelexemplare, Judiths sogar versilbert mit einer blumigen Verzierung am Stiel. Wie lange die wohl schon in dieser Dienststelle Verwendung fanden?
Dr. Grede holte Judith Brunner aus ihren Gedanken. »Also, wenn ich das richtig verstanden habe, diente der Teich der Leichenbeseitigung und war kein Tatort.«
»Richtig. Einen Tatort haben wir bisher nicht. Und ohne Identifizierung wird es auch schwer werden, einen zu finden. Wir müssen die Vermisstenmeldungen durchsehen.«
Lisa Lenz warf ein: »Ich habe alle bei mir abgeheftet, so viele sind es ja nun auch wieder nicht.«
Dr. Grede wollte die Recherche noch etwas ausdehnen. »Ich stelle noch eine Liste sämtlicher ungeklärter Vorkommnisse zusammen, die in den letzten Wochen so reinkamen: Fahrerfluchten, ungelöste Einbrüche und all der Kram. Bestenfalls ist da ja was dabei.« Dr. Grede sah Judith Brunners bestürztes Gesicht. »Keine Angst, so viel wird das nicht, das habe ich in einer Stunde zusammen. Dann nehmen wir uns die Fälle einzeln vor.«
Ganz beruhigt war Judith dennoch nicht. Eine Liste mit ungeklärten Fällen? Das ging gut los! »Also: Priorität hat die Identifizierung der Leiche. Frau Lenz, Sie arbeiten Dr. Grede mit den Vermissten und den Unfällen zu. Vergessen Sie aber die Fahndung nach dem Pkw nicht.
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