Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
schimpfen. Wo Fritzi nur blieb? Er musste doch wieder auftauchen! Plötzlich dachte sie, eine Hand gesehen zu haben. Er kommt! Rasch griff sie zu und zog mit aller Kraft daran.
Doch diese kalte Hand steckte nicht in Fritzis rotem Anorak, sie war viel größer und hatte sogar Haare.
~ 3 ~
Die Borsten fielen in nassen Klumpen auf den Boden. Inmitten einer Dampfwolke stand der Schlachter und schabte mit einer seiner Schellen die achtsam gebrühte Haut des Schweins ab. Ihm gelang es, diese trichterförmigen Metallgeräte verschiedener Größe zu verwenden, ohne der Haut Verletzungen zuzufügen und sie wie nach einer Rasur glatt und rosig aussehen zu lassen. Immerhin gehörte die Schweinehaut heute zu seinem Honorar. Da gab er sich schon Mühe, das zukünftige Lederstück nicht zu beschädigen. Es würde ihm einige Talerchen einbringen, wie auch die anfallenden Schweinehaare. Getrocknet und gereinigt konnte er sie für gutes Geld verkaufen. »Sammelt mal jemand die Borsten ein!«, forderte er seine Helfer resolut auf.
Laura nutzte die Gelegenheit. »Hier, rühr du mal weiter.« Sie überließ Walter Dreyer den großen Eimer. Das Blutrühren hatte sie noch nie gemocht, so wichtig es auch war, um ein Gerinnen zu verhindern. Die Männer hatten diesmal gut aufgepasst und beim Ausbluten des Schweins war kaum etwas daneben geflossen. Einer guten Blutwurst stand also nichts entgegen.
Kritisch beäugte der Schlachter seine Hilfstruppen. Er konnte nichts an ihrer Arbeit aussetzen und wandte sich wortlos wieder seinem Metier zu. Die Sehnen der Hinterbeine waren freizulegen, damit das Krummholz eingezogen werden konnte. Dies musste präzise erfolgen, denn immerhin sollte das mehrere Zentner schwere Schwein eine geraume Zeit daran hängen.
Judith Brunner wurde kurzerhand gebeten, es sich bei Laura, die ein kleines, einfaches Bauernhaus von ihren Großeltern geerbt hatte, bequem zu machen. Ein wenig kannte sich die Hauptkommissarin im Dorf aus, da sie nicht zum ersten Mal in Waldau weilte. Auch seinerzeit hatte Laura Perch der Polizistin angeboten, bei ihr zu wohnen. Die beiden fast gleichaltrigen jungen Frauen hatten sich unerwartet und plötzlich in derselben Mordgeschichte wiedergefunden und Laura hatte unaufdringlich begonnen, Judith zu unterstützen. Während der Ermittlungen konnte sie mit ihren fachlichen Kenntnissen als Archivarin sogar dazu beitragen, den Fall zu lösen.
Wilhelmina, die Katze, war heute von Walter Dreyers Hof verbannt und in Lauras Haus eingesperrt worden. Sie war froh, dass sie nun Gesellschaft bekam, denn mit Judith war wenigstens ein Mensch da, der sie unterhalten würde.
Laura sah Walter an. »Hat Judith dir erzählt, warum sie hergekommen ist?«
»Nein, sie meinte nur, sie müsse dringend mit mir reden.«
»Aha.«
»Dienstlich.«
»Ja?« Sie war sich da nicht sicher. Laura war nämlich nicht entgangen, wie Walter seine Kollegin angesehen hatte, als die sich damals verabschiedete.
»Mehr hat sie nicht gesagt.« Walter klang besorgt.
Die Autorität auf dem Hof hielt ein großes breitschneidiges Messer in die Höhe und unterbrach das Gespräch der beiden: »Wir brauchen noch einen Mann. Zu zweit kriegen wir die Sau nicht hoch.«
»Noch einen Mann? Wo sollen wir den hernehmen? Ich kann auch mitmachen«, bot Laura ihre Unterstützung an.
Doch Walter war schon vom Hof gegangen und kehrte nach höchstens zwei Minuten mit einem Nachbarn zurück, bei dessen Anblick Irmgard Rehse unwillig schnaubte: »Na der!«
Laura überlegte nur, wie Walter ihn so schnell wach bekommen hatte, denn in der Regel verschlief Alfi Schuler den Vormittag, da seine Abende bis weit in die Nacht reichten und er sich die Zeit dabei mit erheblichen Mengen alkoholischer Getränke vertrieb. Immerhin war seine Arbeitskraft stets und überall im Dorf willkommen und im Augenblick wären sie ohne ihn aufgeschmissen gewesen.
Mit vereinten Kräften und unter dem Kommando des Schlachters gelang es den Männern, die Leiter stabil an der Scheunenwand aufzustellen. Das Krummholz hielt und das Schwein hing. Um die steile Neigung zu fixieren, wurden ein paar Holzkeile unter die Holme geschoben. Und schon war der erste Höhepunkt des Morgens erreicht – alle, selbst Irmgard Rehse, blickten Walter auffordernd an. Der lächelte verschmitzt und zauberte aus einer Holzkiste im Scheuneneingang eine Flasche Klaren und einige Stumpengläser. Er schenkte allen ein und hob sein gut gefülltes Glas. » Wenn das Schwein am Haken
Weitere Kostenlose Bücher