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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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»Jorge Martinez, war ein chilenischer Biologe mit wirklich
glänzenden Aussichten.«
    Â»Wie du.«
    Walter nickte. »Ja. Wie ich. Jorge kannte ich von der Uni. Er hat
mir die anderen vorgestellt. Zuerst dachte ich, es handele sich um einen Kreis
junger, ehrgeiziger Wissenschaftler. Alle waren wir ehrgeizig. Ich auch. Aber
dann … An die anderen war man schon herangetreten. Von Regierungsseite. Mich
haben sie dann auch angeworben. – Wir haben geforscht, Dinge gebastelt.«
    Walter nahm einen weiteren Schluck Cognac und kaute ihn langsam, als
könne er dadurch die Sätze desinfizieren, bevor er sie aussprach.
    Â»Was für Dinge?«
    Â»Ich mache es kurz und schmerzhaft. Ich habe für die Amis einen
verbesserten elektrischen Stuhl entwickelt.«
    Anna sah ihren Vater fassungslos an. »Du hast was?«
    Er lachte bitter auf: »Kann mir schon vorstellen, was du jetzt
denkst. Aber hast du auch nur die geringste Vorstellung, mit was für
vorsintflutlichen Öfen die ihre Delinquenten gegrillt haben? Der erste Mensch,
der auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, war William Kemmler.«
    Walter Maybach verfiel aus reiner Gewohnheit in seinen hochmütigen
Dozententonfall, als er weitersprach: »Kemmler wurde 1890 auf dem präparierten
Stuhl festgezurrt und mit jeweils einer Elektrode am Kopf und einer an den
Füßen verbunden. Zunächst wurde eine Spannung von tausend Volt eingestellt.
Nachdem der Strom eingeschaltet wurde, krampfte Kemmler unter starkem Zucken
und wand sich vor Schmerzen. Sein Blut kochte und ließ die Adern platzen, ebenso
seine Augäpfel, die aus ihren Höhlen sprangen. Sein Fleisch verbrannte, Qualm
stieg auf, sein rechtes Schulterblatt brach durch die starke Verkrampfung. Nach
siebzehn Sekunden wurde der Strom abgeschaltet. Kemmler lebte noch. Er
röchelte, keuchte und erbrach sich. Man entschloss sich, auf zweitausend Volt
zu erhöhen. Es dauerte siebzig Sekunden, bis Kemmler tot war. Siebzig
Sekunden!«
    Walter nahm einen Schluck Cognac. »Natürlich waren die Stühle Ende
der Sechziger schon verbessert, aber solche und ähnlich scheußliche Dinge
passierten immer noch. Es gab zahlreiche Berichte, dass die Körper der
Verurteilten anfingen zu brennen oder Transformatoren überhitzten, sodass die
Exekution unterbrochen werden musste. Bei der Exekution werden mindestens zwei
Stromstöße vorgenommen, die je nach körperlicher Statur des Delinquenten
unterschiedlich lange angewandt werden. Zunächst werden zweitausend Volt
eingesetzt, um den Widerstand der Haut zu brechen. Danach wird ein zweiter Stoß
mit weniger Spannung durchgeführt, um den Stromfluss zu reduzieren und Brände
zu vermeiden. Bei der Hinrichtung fließt üblicherweise ein Strom von 8 Ampere,
und der Körper erhitzt sich auf über 59 Grad Celsius. Der Tod tritt sowohl
durch eine unkontrollierte Depolarisation wichtiger Muskeln ein als auch durch
das Stocken von Eiweißen.«
    Anna hatte dem Vortrag ihres Vaters stumm zugehört. »Danke, aber so
genau wollte ich es nicht wissen. Und was war dein Part bei dieser angeblichen
Humanisierung des Mordens?«
    Walter trank seinen Cognac aus und goss sich nach. »Jorge und ich
haben die Sache mit dem Hautwiderstand ausgetüftelt. Außerdem habe ich einen
stufenlos regelbaren Stuhl entworfen, mit dem man weitaus schneller töten
konnte als bisher. Leider haben sie meine Erfindung nicht im Sinne des Erfinders
genutzt. Wie man das so kennt.«
    Â»Sondern?«
    Walter tippte erneut auf das Foto: »Ein paar von den Jungs haben
freiberuflich für die SOA gearbeitet …«
    Â»Die School of America, die Folterschule?«
    Walter nickte: »Die SOA und eine der SOA übergeordnete Organisation
haben unsere, auch meine Arbeit benutzt, um effektiver zu foltern. Als ich das
mitkriegte, habe ich mich verabschiedet. Von der lustigen Truppe da auf dem
Foto und von den USA. Andere sind geblieben und haben Karriere bei
verschiedenen Geheimdiensten gestartet. Wie Martinez. Wie Rosenbaum.«
    Anna betrachtete das Foto: »Was sind das für Pokale?«
    Walter lachte ein bitteres Lachen: »Einer fand die Idee ungeheuer
komisch. Er nannte uns die Akademie, weil wir alle Akademiker waren und seiner
Meinung nach auch kreative Künstler. In Anlehnung an die Academy, die in Los
Angeles die Oscars verleiht. Die Pokale sind unsere Oscars. Ich habe meinen für
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