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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Junge unser Martin ist«,
sagte Herr Abendroth, »jeder Vater, jede Mutter wäre stolz auf ihn. Er sieht
gut aus, ist hochintelligent, sportlich und hat extrem gute Manieren …«
    Christian sah keinen Anlass, das Bild dieses vermeintlich so
wohlgeratenen Sohnes zurechtzurücken. Die Geschichte mit Yvonne musste nicht
unbedingt in Zusammenhang mit den Vorkommnissen im Bunker stehen. Dennoch
brauchte Christian Informationen, selbst wenn es nicht ohne Verletzungen
abging.
    Â»Dass Ihr Sohn auch Feinde haben könnte, sollte Ihnen klar sein. Sie
haben sein verwüstetes Apartment gesehen. So was geschieht nicht ohne Grund.«
    Â»Neider. Das waren irgendwelche Chaoten, die ihm seinen Wohlstand
nicht gönnen. Glauben Sie mir, auch meine Frau und ich kennen widerlichste
Formen von Sozialneid, obwohl wir alles Mögliche fürs Gemeinwohl tun und mit
unseren Verhältnissen wahrlich nicht protzen … Missgünstige Idioten, die vor
nichts zurückschrecken, gibt es überall.«
    Â»Haben Sie irgendeine Idee, was Martin mit dieser ganzen Geschichte
zu tun haben könnte?«
    Â»Mit welcher Geschichte?«
    Â»Na ja, die tote Studentin war seine oder zumindest eine seiner
Freundinnen. Dann wird seine Wohnung zertrümmert und er selbst fast zu Tode
gefoltert. Halten Sie das für eine rein zufällige Aneinanderreihung von
Ereignissen?«
    Herr Abendroths Haltung wurde kaum merklich steifer: »Ich weiß
nicht, in was Martin da hineingeraten ist. Ich weiß nur, dass er nichts mit all
dem zu tun haben kann. Keine schuldhafte Verstrickung. Das ist unmöglich. Mir
wäre sehr daran gelegen, wenn Sie das Ganze baldmöglichst aufklären. Damit das
Monster, das meinem Sohn das angetan hat, bestraft wird, und wir diese
Schrecknisse vergessen können. Das wird schwer genug werden. Tun Sie Ihre
Pflicht, und zwar schnell.«
    Christian war immer wieder erstaunt, wie erfolgreich Menschen im
Verdrängen von Tatsachen waren. Sowohl Herr als auch Frau Abendroth mussten
doch im Laufe von Martins nunmehr knapp sechsundzwanzig Lebensjahren den ein
oder anderen Hinweis erhalten haben, dass ihr Sprössling nicht der rundum
erfreuliche Sonnenschein war, für den sie ihn hielten. Doch nicht mal der
gewaltsame Tod seiner Affäre Uta Berger und sein eigenes Schicksal waren für
die Eltern ein Grund, Martin in eine wie auch immer geartete Verbindung zu
etwas Unlauterem zu bringen.
    Â»Martin ist nicht Ihr leiblicher Sohn, habe ich gehört?«
    Herr Abendroths Haltung wurde noch ein wenig steifer. »Ich wäre
Ihnen sehr verbunden, wenn Sie darüber schweigen würden. Martin weiß nichts
davon, und ich halte seinen jetzigen Zustand für denkbar ungeeignet, ihn mit
derlei Eröffnungen zu konfrontieren.«
    Â»Da haben Sie sicher recht. Er braucht vor allem Ruhe und
Stabilität. Aber verzeihen Sie meine Neugier, Ihre Frau sagte, Sie seien
Martins Onkel.«
    Unwillig erhob sich Herr Abendroth, baute seine stattliche Größe vor
Christian auf und funkelte ihn an. Zum ersten Mal zeigte Herr Abendroth, dass
er befehlsgewohnt war, dass in seinem Alltag er die
Fragen stellte. »Jetzt hören Sie mir mal genau zu, Herr Oberkommissar Beyer. Da
drinnen liegt mein Sohn und kämpft um sein Leben. Und Sie nerven mich hier mit
unwichtigen Detailfragen, die in keiner Weise dazu dienen, Licht in diese
schreckliche Geschichte zu bringen …«
    Christian knurrte unwillig. Das war jetzt schon das zweite Mal an
diesem Tag, dass ihn jemand von oben herab blöd anmachte. Er erhob sich
ebenfalls, sodass er Abendroth ein wenig überragte, und unterbrach die
Ansprache in schärferem Ton als beabsichtigt: »Das zu beurteilen müssen Sie
schon mir überlassen, Herr Abendroth. Ich weiß, wie schwer es Ihnen fällt,
meine Ihnen unwichtig erscheinenden Fragen in diesem Moment zu beantworten. Das
geht fast jedem so, der mit mir spricht. Immer ist jemand gestorben oder liegt
im Sterben. Wo ich bin, ist der Tod in unmittelbarer Nähe. Aber ich bin hier,
um ihn zu bekämpfen, um weitere Opfer zu vermeiden. Also seien Sie bitte so
freundlich, und beantworten Sie meine Fragen, auch wenn sich Ihnen die
Zusammenhänge nicht erschließen. Das müssen sie nicht, das ist mein Job.«
    Herr Abendroth und Christian standen sich in stummem Kräftemessen
gegenüber. Es dauerte einige Sekunden, bis der Sieg an Christian ging. Herr
Abendroth fuhr sich mit

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