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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Christen und andere Delinquenten den Löwen vorgeworfen
haben, meist im Rahmen von Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen. Brot und Spiele,
ihr wisst schon«, erklärte Daniel.
    Volker am anderen Ende der Leitung stimmte zu: »Das weiß ich, aber
es muss noch eine zweite Bedeutung für Martin haben. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass er uns lediglich seinen Bildungsstand als historischer
Anthropologe mitteilen wollte. Irgendwas steckt dahinter, er hat Angst,
unglaubliche Angst. Ich bin sicher, ad bestias ist ein versteckter Hinweis,
weil er den Namen entweder nicht kennt oder nicht ausbuchstabieren will. So wie
bei diesem amerikanischen Horrorwesen ›Candyman‹. Wenn du den Namen dreimal
aussprichst, kommt er dich holen. Magisches Denken. Martin ist gefangen in
seinem Trauma, er will etwas sagen, aber da ist eine Sperre, die er nicht
durchbrechen kann. Ich sehe es in seinen Augen.«
    Daniel klackerte mit den Fingern über die Tastatur: »Kann sein, du
hast recht, Alter, wie so oft … warte … da ist noch ein anderer Verweis … Bingo! Es
gibt ein Buch mit dem Titel ›ad bestias‹. Darin geht es um, ich zitiere, ›Folter
in der ludischen Kultur der Römer und christliche Märtyrer als Herausforderer
des gesellschaftlichen Systems‹. Geschrieben wurde das Buch von einem
Anthropologen aus … wer sagt’s denn, Hamburg. Professor Erwin Gellert.«
    Â»Das ist Martins Doktorvater!« Volker schrie es fast.
    Â»Dann wollen wir den Herrn Professor doch gleich mal besuchen«,
meinte Pete. Seine sonst so lässig-elegante Haltung war sofortiger
Körperspannung gewichen. Er wirkte plötzlich konzentriert wie eine Raubkatze
vor dem Sprung.
    Christian schlich im Stau die Elbchaussee lang. Es machte
nicht viel Sinn, das Blaulicht herauszuholen, er musste sowieso langsam fahren,
um die richtige Hausnummer nicht zu verpassen. Die Villen hier lagen alle ein
Stück zurück von der Straße, und die meisten der Besitzer hatten ihre
Hausnummer aus übertrieben hanseatischer Diskretion entweder gar nicht
angebracht oder stilvoll zwischen wuchtigen Rhododendren oder sonstigen
Ziersträuchern getarnt. Entnervt griff Christian zum Handy. »Hey, Pete, hier
Chris … Nein, hör du mir kurz zu. Ich bin unterwegs zu einem Professor Erwin
Gellert, Elbchaussee Nummer … Woher weißt du das?«
    Christian hörte überrascht zu: »Das erkläre ich dir später … Kommt
ihr gleich mit der großen Kavallerie? … Ja, sehe ich auch so. Erst mal auf den
Zahn fühlen … Okay, ich werde vor euch da sein … Wir sehen uns.«
    Fast hätte Christian die Einfahrt verpasst, denn auch hier war die
Hausnummer hinter Büschen versteckt, die voluminös das schmiedeeiserne, weit
geöffnete Tor säumten. Christian fuhr hinein, folgte im Schrittempo der
gewundenen Auffahrt bis zur Villa, vor der Annas Wagen geparkt war. Christian
fluchte leise. Er stellte den Dienstwagen neben Annas Auto ab, hastete die
Freitreppe zur Haustür hoch und klingelte. Nichts war zu hören außer einem
sonoren Dingdong, keine herannahenden Schritte, keinerlei Geräusche im Haus,
nur harmloses Vogelgezwitscher im Garten. Eine leise Nervosität ergriff Besitz
von Christian. Vorsichtig ging er um das Haus herum, bemühte sich erfolglos, in
die Fenster des Hochparterres zu sehen. Auf der Rückseite des Hauses gab es
eine kleine Treppe, die zu einer halb verglasten Tür führte. Mit zwei Sätzen
war Christian oben und sah durch die Tür. Dahinter befand sich die Küche. Dort
lag eine ältere Dame auf dem Boden in einer riesigen Blutlache, die Kehle
klaffend geöffnet, die starren Augen in ungläubiger Überraschung fixiert.
Christian umwickelte die rechte Faust mit seiner Jacke und schlug die
Verglasung der Tür ein. Das Klirren erschien ihm unnatürlich laut in dieser
friedlichen Todesstille. Er drehte den innen steckenden Schlüssel und trat
vorsichtig ein. Die Frau war unzweifelhaft tot, da kam jede Hilfe zu spät.
Christian hatte gerade noch Zeit, einmal laut nach Anna zu rufen, bevor ihn ein
schwerer Gegenstand am Hinterkopf traf und seinen letzten bewussten Gedanken,
den an Anna, in einem bunten, schmerzhaften Funkensprühen zerbersten ließ.
    Etwa zwanzig Minuten später trafen Pete und Eberhard an
Gellerts Haus ein. Sie sahen Annas Auto und den Dienstwagen der Soko und nahmen
den

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