Eisblut
ihm
schlichtweg antrainiert, Ordnung zu halten. Das lieÃe auf zwei Möglichkeiten
schlieÃen: militärische Ausbildung oder Knast«, fuhr Volker nach der
allgemeinen Schrecksekunde scheinbar ungerührt fort und wandte sich an Karen.
»Das Päckchen war mit ganz normaler Paketkordel verschnürt, oder?«
»An der Kordel fanden sich Hautfetzen und Gewebeteilchen von Uta
Berger. Er hat die gleiche Schnur benutzt, mit der er sein Opfer gefesselt
hat«, ergänzte Karen.
Daniel räusperte sich rau und fasste mit sarkastischem Unterton
zusammen: »Er ist also ehrlich, weil er nicht mal ihr Zigarettengeld behalten
hat, er ist auÃerdem ordentlich, und er ist auch noch sparsam. Der Traum einer
jeden Schwiegermutter.«
Pete sah Daniel missbilligend an: »Nimm das ernst, solche
Ãberlegungen helfen uns beim Profil.« Daniels Zynismus, mit dem er sich vor der
Realität schützte, wenn er gerade keinen Rotwein zur Verfügung hatte, ging Pete
ernstlich auf die Nerven.
Eberhard übernahm mit sachlicher Stimme: »Der nächste
Zigarettenautomat hängt nicht ganz zweihundert Meter von der Wohnung weg. Es
ist ein alter Automat, der weder Scheine noch Karte nimmt. Hab ich überprüft.
Wenn wir davon ausgehen, dass sie kein Kleingeld hatte â in ihrer Jeans befand
sich nur ein Zehn-Euro-Schein â dann müsste sie zur nächsten Kneipe gelaufen
sein, um dort zu wechseln. Die ist etwa dreihundert Meter entfernt. Aber keiner
der Leute, die am Donnerstag dort Dienst hatten, kann sich erinnern, dass sie
bei ihm oder ihr gewechselt hat. Das haben wir überprüft. Wie dem auch sei, der
Mörder hat sie vermutlich auf einer Strecke von dreihundert Metern Distanz zu
ihrem Haus abgegriffen. Frage: Gibt es Zeugen? Bislang komplette Fehlanzeige.«
Karen rechnete kurz nach: »Wenn sie am Donnerstagabend gegen elf Uhr
verschwunden ist, können wir davon ausgehen, dass der Täter sie volle 24
Stunden in seiner Gewalt hatte. Der Todeszeitpunkt lässt sich zwischen
Samstagnacht zehn Uhr dreiÃig und zwölf Uhr festlegen.«
Eberhard sah abwesend auf den Riss in der Wand. »Was für ein
Martyrium. Vielleicht hat sie ihren Mörder gekannt. Wenn keiner auf der StraÃe
irgendwas mitbekommen hat ⦠Haben die beiden Jura-Yuppies aus der WG
Freunde von Uta erwähnt?«
Pete verneinte: »Nur eine flüchtige, angeblich grässliche Bekannte
aus der Theatergruppe â¦Â«
»Da gehe ich morgen Abend hin, dann ist Probe«, warf Volker ein.
Pete nickte und fuhr fort: »Keine dem Umfeld bekannten Freunde,
schon gar kein spezieller männlicher. Sehr ungewöhnlich. Und es gibt auch von
keiner Seite irgendwelche Vermutungen, Uta Berger könnte Feinde gehabt haben.
Sie war ganz offensichtlich eine hübsche, aber sozial extrem unauffällige junge
Frau, wird als zurückhaltend, fast ein wenig langweilig beschrieben â¦Â«
»Das Sexspielzeug sieht mir alles andere als langweilig aus«, meinte
Volker und lieà seinen Blick über die auf dem Tisch ausgebreiteten Fotos von
den Beweismittel gleiten. Die Sachen selbst waren alle im kriminaltechnischen
Labor, um sie nach Fingerabdrücken und sonstigen Hinweisen zu untersuchen.
»Meiner Meinung nach sollte das unser Ansatzpunkt sein«, stimmte
Pete zu. »Der auf den ersten Blick so normal wirkende Alltag von Uta Berger
birgt irgendein Geheimnis, vielleicht hat sie eine Art Doppelleben geführt.
Denn so unspektakulär sich ihr Leben nach auÃen hin darstellt, so spektakulär
ist ihr Tod. Noch können wir keine Aussage treffen, ob sie gezielt ausgewählt
oder der Zufall ihr zum Verhängnis wurde. Ist sie über den obdachlosen Georg
Dassau gestolpert? Die Beantwortung dieser Frage würde uns ein groÃes Stück
weiterbringen. Vielleicht hilft uns ihr Tagebuch.«
»Knut, die Laborratte, schickt es mir bald zurück, er hat mir versprochen,
sich zu beeilen«, warf Eberhard ein. Auch wenn die Soko aus dem
Polizeipräsidium ausgelagert war, standen ihr doch alle Einrichtungen und ein
Teil der jeweils diensthabenden Mannschaft zur Verfügung. Für einen Laien war
es kaum vorstellbar, welch ein Aufwand an Personal und Bürokratie für eine
Ermittlung in einem Mordfall nötig war. Petes Team bildete die
Strategieabteilung, er und seine Leute übernahmen â wenn sie denn von Dorfmanns
und Wallers Gnaden eingesetzt waren â die
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