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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Tatortbesichtigungen, die wichtigen
Zeugenbefragungen und gaben die Richtung der Ermittlungen vor. Dennoch waren
sie abhängig von einer Vielzahl von Polizisten, die Berichte schrieben,
Vernehmungen und Fahndungen durchführten, Laboruntersuchungen vornahmen,
massenweise Telefonate von denunziatorischen Wichtigtuern entgegennahmen, die
in den meisten Fällen nur ihrem Nachbarn eins auswischen wollten und, und, und …
Einige der Polizisten fühlten sich von den Weisungen der Soko gegängelt und
ausgenutzt, doch andere machten sich immer wieder klar, dass in einem solchen
Apparat auch das kleinste Rädchen eine unentbehrliche Funktion übernahm, einige
taten es vermutlich auch schlicht mit der leisen Hoffnung, irgendwann selbst
einmal Mitglied eines Sondereinsatzkommandos zu werden.
    Â»Ich hoffe, die Kollegen treiben diesen Georg Dassau bald unter
irgendeiner Brücke auf. In der Zwischenzeit kümmern wir uns um die anderen
Aspekte.« Pete machte eine kleine Denkpause und fuhr dann fort. »Daniel, wir
müssen den Hinweis von Frau Hamidi gegen meine Überzeugung ernstnehmen und in
Sachen Geheimdienste recherchieren. Kannst du uns einen ersten Überblick über
Folter im Iran zusammen stellen?«
    Daniel sah von seinem Bildschirm hoch, in den er die letzten Minuten
versunken gewesen war. »Würde ich tun, ist aber überflüssig. Weil es schon
jemand für uns erledigt hat. Anna. Ich habe gerade eine Mail von ihr bekommen.
Soll ich sie euch vorlesen? Ist hochinteressant, wenn man auf so was steht.«
Daniel verzog gequält das Gesicht und machte damit unmissverständlich klar, wie
wenig Vergnügen er an den Informationen auf seinem
Bildschirm fand. Dennoch las er mit bemüht sachlicher Stimme vor:
    Â»Lieber Daniel, ich konnte nicht schlafen wegen eurer Leiche und dem
Gespräch mit Frau Hamidi. Habe ein bisschen gesurft und schätze, Pete hat
recht: Frau Hamidis Theorie, euer Killer könnte ein iranischer
Ex-Geheimdienstler sein, ist ziemlich weit hergeholt. Was Frau Hamidi
offensichtlich nicht weiß, ist, dass die sogenannte Brustfolter wahrlich nicht
ausschließlich eine Spezialität der Savak war. Pass auf, Beispiele aus der
Geschichte, die ich aus einem Fachbuch über Folter zitiere: In den im Laufe der
Kirchengeschichte detaillierter ausgeschmückten Heiligenlegenden spielen (hier
in einer Kombination von Glaubensstärke und erotischer Vorstellung) Jungfrauen
und Märtyrerinnen eine große Rolle, denen die Brüste abgeschnitten werden – und
schnell wieder nachwachsen. Im Vorderen Orient wurden die Brustwarzen (z. B.
einer Haremsfrau) mit einem glühenden spitzen Eisenstab durchbohrt und zur
Verschärfung der Folter mit zunehmend schweren Gewichten behängt, bis diese von
selbst abfielen und Teile der Brust mit sich rissen.«
    Daniel brach stockend ab, las stumm weiter und meinte dann mit
brüchiger Stimme: »Nachher drucke ich euch alles aus, dann könnt ihr es selbst
lesen. Jedenfalls geht es weiter mit: … Die Münchner Ordnung
des Malefiz-Rechts von 1575 kennt eigene Brustfoltern … blabla … und so
weiter, wollt ihr alles gar nicht wissen, da geht es ums Abschneiden, das wollt
ihr wahrscheinlich doch wissen, aber ich will es nicht vorlesen … dann heißt es:
Auch in NS-Lagern ist diese äußerst schmerzhafte Brustquetschfolter … und
außerdem berichtet amnesty international, dass diese Scheiße auch in Südafrika
und den lateinamerikanischen Diktaturen der 80er Jahre vorkam.« [*]
    Daniel blickte hoch zu seinen Kollegen und sah dabei bleich aus. Er
zündete sich eine Zigarette an und ging ans gekippte Fenster.
    Pete atmete tief durch: »Okay. Das Ganze zeigt nur, welch ein
archaisches Thema die Verstümmelung von Frauen ist. Unabhängig von Zeiten und
Kulturen.«
    Â»Definiere mir in diesem Zusammenhang mal bitte Kultur«, murmelte
Karen.
    Eberhard gab Pete recht: »Ich glaube auch nicht, dass wir im Dunkeln
operierende orientalische Geheimdienste bemühen müssen, um eine Erklärung für
einen grausamen Mord an einer jungen Frau zu finden, geschehen im Jahre 2006 in
der Stadt, die sich das ›Tor zur Welt‹ nennt. Wir haben es mit einem perversen
Sadisten zu tun, einem sexuell, nicht politisch motivierten Täter. Der
garantiert wieder zuschlagen wird. Vielleicht streift er schon durch die
Straßen und sucht sein nächstes

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