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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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einen zweiten Umschlag hervor: »Obduktionsbericht und
Leichenfotos sind vermutlich von dir, Karen, oder?«
    Karen nickte grinsend. Blitzschnell griff Yvonne nach dem von Daniel
verschmähten Döner, warf Daniel einen entschuldigenden Blick zu und hielt ihn
Christian hin: »Ich habe dir was zu essen mitgebracht.«
    Â»Komm schon rein und setz dich«, forderte Pete auf.
    Â»Was denkt ihr euch eigentlich? Ich setze mich hier auf einen Stuhl,
und damit bin ich wieder eingestellt? Wie naiv seid ihr eigentlich?« Christian
bewegte sich nicht von der Stelle.
    Â»Schon mal von der Macht des Faktischen gehört?«, fragte Volker.
»Nichts gegen dich, Pete«, fuhr er mit kurzem Blick zu dem Angesprochenen fort
und wandte sich dann wieder an Christian, »aber Waller weiß, wie gut wir dich
brauchen können. Wenn mich mein Gefühl nicht trügt, wird dieser Fall
kompliziert. Dieses Gefühl hat auch unser aller Freund Martin Ganske«, fügte er
ernsthaft hinzu, »und mit viel Pech haben wir bald die nächste Leiche. Davor
hat Waller Schiss, und so wenig er dich ausstehen kann, so sehr liebäugelt er
mit einem Platz im Hamburger Senat. Dafür braucht er eine saubere Bilanz, und
dabei kannst du helfen. Besser als jeder andere.«
    Pete nickte zustimmend: »Du hast lange genug für die da oben den
schwarzen Peter gehalten. Und in Selbstmitleid gebadet. Wird Zeit, dass du
deinen Arsch wieder hochkriegst. Kürzlich habe ich bei Waller fallen lassen,
dass deine Rückkehr bei unserem Polizeipräsidenten einen sofortigen Blutsturz
zur Folge haben würde. Wie wir alle wissen, sind Waller und Dorfmann in
intensivem Hass verbunden. Waller zögerte noch, aber es hat ihn gejuckt. Er
würde die erstbeste Gelegenheit nutzen, Dorfmann eins auszuwischen. Er braucht
nur einen vorzeigbaren Grund für deine Wiedereinstellung. Und den haben wir mit
diesem Fall. Also komm endlich rein, und setz dich. Vorerst bist du einfach
unser höchst inoffizieller Berater. Und den Rest … Wir biegen das hin, indem wir
einfach den Spieß umdrehen und ihn Ganske und Dorfmann in den Arsch rammen.«
    Christian zögerte. Er wusste, wenn er jetzt über die Schwelle trat,
gehörte er wieder dazu. Nicht auf dem Papier, er hatte hier absolut nichts
verloren und könnte seinen Aufenthalt höchstens als Besuch bei alten Freunden
und Kollegen rechtfertigen. Aber er wäre dabei, mit Leib und Seele. Die Macht
des Faktischen. Noch einmal fragte er sich, ob er das wollte. Er spürte einen
leisen Widerwillen, aber auf der anderen Seite musste er sich fragen, warum er
überhaupt hier war. Er hatte alle Informationen, die ihm seine Kollegen hatten
zukommen lassen, schon vor Manuela Bergers Besuch aufmerksam studiert gehabt
und dabei festgestellt, wie ihn die Wut auf den Mörder kalt erwischte und
zeitgleich sein Jagdfieber erwacht war. Dass Oberstaatsanwalt Waller ihn gegen
jede Rechtsgrundlage rehabilitieren könnte, war eine kleine Genugtuung am
Rande, die ihm jedoch nichts bedeutete. Aber Manuelas Besuch heute Morgen hatte
Wirkung gezeigt. Ihre Verzweiflung hatte ihn erschüttert und dem Tod einer bis
dahin anonymen Leiche ein Gesicht gegeben. Ein vertrautes Gesicht. Das Gesicht
der Tochter einer Frau, mit der er häufig genug geschlafen hatte. Als er mit
Manuela zusammen war, hatte er Uta eines Nachmittags kennengelernt. Damals war
sie eine trotzige Göre von sechzehn Jahren gewesen, die ihm voller Widerstand
entgegentrat. Sie hatte ihrer Mutter aufs Haar geglichen. Christian schritt
entschieden über die Türschwelle, setzte sich hin und griff nach dem Döner.
    Anna schreckte aus ihrem Halbschlaf auf dem Sofa hoch, als
das Telefon klingelte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich aus der
Kaschmirdecke geschält hatte und sich belegt meldete.
    Â»Habe ich dich geweckt? Du klingst vielleicht verpennt. Hier ist
Yvonne.«
    Â»Schon okay. Ich wollte gar nicht schlafen, ist ja noch hell. So
komme ich nie mehr in einen richtigen Tag/Nacht-Rhythmus rein. Was gibt’s denn?
Hast du’s dir anders überlegt mit dem Seminar?«
    Yvonnes Stimme klang stolz, als hätte sie die folgende Neuigkeit
ganz allein fabriziert: »Quatsch, ich freue mich drauf. Es geht um was ganz
anderes: Chris ist wieder beim Team. Nicht offiziell, erst mal nur so.«
    Unwillkürlich setzte sich Anna auf. »Was soll das denn heißen? Und
wie habt ihr das geschafft?«
    Â»Mit

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