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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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literarischen Vorlage ihre Widersacherin,
die Königin Elizabeth, entführt hatte, um sie politisch umzuerziehen.
    Auf der Bühne beharkten sich die beiden Frauen unter der anfeuernden
Regie einer dritten Frau. Zwei Männer saßen am Bühnenrand und kommentierten mit
ausdrucksstarkem Mienenspiel die Leistungen ihrer Kolleginnen. Volker quälte
sich durch eine halbstündige Deklamation, er wollte keine schlechte Stimmung
durch eine Unterbrechung verbreiten. Als sich die Regisseurin ihm schließlich
zuwandte, hatte er sich längst geschworen, den Intellekt dieser Studenten auf
keinen Fall zu überschätzen.
    Â»Sind Sie der Kripofuzzi, der heute angerufen hat?«, wandte sich die
Regisseurin barsch an ihn. »Kommen Sie ruhig nach vorne, oder scheuen Sie das
Licht?«
    Â»Ich wollte nicht stören.« Volker erhob sich und ging nach vorne zur
Bühne. Aus der Nähe sah die Regisseurin noch kleiner und unattraktiver aus. Sie
trug ihr schwarz gefärbtes Haar raspelkurz und hatte die letzten vorhandenen
Millimeter mit Gel verklebt. Ihr Ringelshirt war von Motten halb zerfressen,
die Schlabberhose hing auf halb acht und gab von hinten einen Blick in die
Poritze frei, den sich Volker gerne erspart hätte. Dennoch überwand Volker
seine spontane Antipathie und gab ihr mit freundlichem Lächeln die Hand: »Ich
bin Volker Jung, freut mich, Sie kennenzulernen.«
    Â»Ich bin Kiki. Was wollen Sie von uns? Verstoß gegen BTM
oder was?« Kikis Händedruck hätte einem kanadischen Brummifahrer alle Ehre
gemacht.
    Â»Nein, ich bin nicht vom Drogendezernat. Es geht um Uta Berger.«
    Sofort wurde Kiki vorsichtig: »Wo ist sie? Hat uns heute
sitzenlassen. Eigentlich soll sie unsere Elizabeth spielen. Sie hat so was
herrlich … Biederes.«
    Die anderen Darsteller näherten sich neugierig.
    Â»Jetzt nicht mehr«, informierte Volker die Studenten und achtete
genau auf ihre Reaktionen. »Sie ist tot. Ermordet.«
    Aus Kikis Gesicht wich alle Farbe. Maria Stuart und Elizabeth sahen
sich entsetzt an. Elizabeth schluchzte überlaut auf und ließ ihre Schultern ein
paar Mal bühnenwirksam zucken, vermutlich war sie noch in ihrer Rolle. Die
beiden Typen blickten verwirrt.
    Â»Das kann doch nicht wahr …« Kiki setzte sich einfach auf den Boden
und umschlang ihre Knie mit den Armen. Jetzt wirkte sie so klein, dass sie
schon fast gar nicht mehr da war.
    Volker wandte sich an die vier anderen und machte die Bekanntschaft
von Frieda, der Maria Stuart in Punkversion, der Elizabeth-Zweitbesetzung
namens Conny und der beiden Typen Alex und Eddie. Er bat um Verständnis dafür,
ihre Personalien aufnehmen zu müssen und begann dabei eine möglichst lockere
Konversation.
    Â»Brisanter Stoff, den ihr da auf die Bühne bringt.«
    Kiki nickte wie auf Autopilot, bekam jedoch kein Wort heraus.
Offensichtlich eine seltene Chance für Alex, der sofort einen Vortrag hielt
über die immerwährende Aktualität der Klassiker. »Du musst den alten Kram nur
einfach übersetzen, halt in den Zeitgeist, damit da heute noch einer hinhört
und überhaupt schnallt, wovon die quaken, verstehste?«
    Volker verstand und brachte ihm uneingeschränkt seine Bewunderung
für diese radikalen Gedanken zum Ausdruck. Leider hatte Alex über Uta nicht
halb so viel beizutragen wie über modernes Theater, und mit Conny, Frieda und
Eddie erging es Volker nicht besser. Sie gaben über Uta nur die üblichen
Plattitüden zum besten, die Pete und Eberhard schon von den Yuppies aus der WG
gehört hatten: ganz nett, ein bisschen langweilig, irgendwie verklemmt, kam zur
Theatergruppe, um zu lernen, mehr aus sich herauszugehen. So oder so ähnlich
jedenfalls sollte sich Uta Conny gegenüber geäußert haben. Keiner von den
Vieren gab an, eine Art Freundschaft mit Uta gepflegt zu haben oder gar eine
besonders innige Beziehung. Dasselbe galt ihrer Meinung nach auch für die fünf
anderen Mitglieder der Theatergruppe, die heute allerdings aus probetechnischen
Gründen nicht anwesend sein mussten.
    Während Volker mit den Vieren sprach, ließ er Kiki nicht aus den
Augen. Die saß die ganze Zeit wie betäubt auf dem Boden und beteiligte sich
nicht am Gespräch. Auffällig war auch, dass Conny immer wieder unsicher zu Kiki
hinüberschaute. Also ließ sich Volker noch die Namen und Nummern der fünf
anderen Ensemble-Mitglieder geben

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