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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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unergiebigen Gesprächs verabschiedete
sich Volker. Er dankte für die Infos, sie dankte artig für die Biere. Als
Volker sich erhob und sich durch das Gedränge der Pony Bar Richtung Ausgang
schob, trat eine junge Frau zu Kiki.
    Â»Wer war denn das?«, fragte sie.
    Â»So’n verfickter Bulle«, meinte Kiki mit finsterer Miene und
schickte Volker einen verächtlichen Blick hinterher.
    Anna sah sich in Christians chaotisch zusammengestelltem,
aber durchaus heimeligem Wohnzimmer um, während er in der Küche frischen Tee
aufbrühte. Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert, seit sie das
letzte Mal hier gewesen war. Die kratzige, karierte Decke, die an eine
englische Landpartie erinnerte, lag wie immer zerknüllt auf dem Sofa, der
Schreibtisch war mit Zeitungen und Büchern übersät, das vollgestopfte Regal
staubig. Vor der Hifi-Anlage auf dem gewachsten Dielenboden stapelten sich
Jethro Tull, King Crimson, Neil Young und andere CDs aus den Siebzigern. Als
wäre die Zeit stehen geblieben. Allerdings waren die düsteren Goya-Radierungen
verschwunden, die Anna immer beeindruckend, aber auch deprimierend gefunden
hatte. Stattdessen hingen nun in der fröhlichen Farbgebung fast laut wirkende
Repliken von Franz Marc an den Wänden.
    Â»Du hattest recht mit Goya«, meinte Christian, als er mit dem Tee
hereinkam und Annas verwunderten Blick bemerkte. »So was hängt man sich auf,
wenn man mies drauf ist und seinen Blick auf die Welt bestätigt sehen will. Und
dann kommt man noch mieser drauf.« Er füllte Annas Tasse auf. Selbst mit einer
geblümten Kanne in der Hand wirkte er ungemein männlich. »Seit ich diese Tiere
an der Wand habe, bin ich ein anderer Mensch. Irgendwie bin ich viel mehr grün
und orange und blau und rot in mir drin. An manchen Tagen sogar ocker oder
gelb, stell dir das mal vor! Das Leben kann ganz schön bunt sein, wenn man
nicht farbenblind ist.«
    Anna musste laut lachen: »Und morgens, wenn du aufstehst, muht und
wiehert es dir entgegen.«
    Â»Genau. Besser ein expressionistischer Bauernhof im Wohnzimmer als
das bedrohliche Waffengeklirr und das Schreien der Opfer bei Goya.«
    Christian setzte sich neben Anna auf das riesige, weiche Sofa. Die
Stimmung zwischen den beiden war entspannt, fast gelöst.
    Christian hatte Anna, kaum dass sie in der Wohnung waren, von seinem
Verhältnis mit Manuela Berger erzählt. Er gestand ganz offen ein, wie
egoistisch und rigoros er die Affäre beendet hatte, als er feststellte, dass
bei Manuela Gefühle im Spiel waren, die er nicht erwidern konnte und wollte. Er
zog sich einfach raus, während Manuela schon viel zu weit gegangen war. Für sie
gab es kein Zurück mehr, denn ihr Mann, dem sie voller Hoffnung auf einen
Neuanfang mit Christian die Affäre gestanden hatte, verließ sie und war nicht
bereit, zurückzukommen, um die abgelegte Geliebte eines Bullen wieder als
Ehefrau zu akzeptieren. Und so stand Manuela plötzlich mit ihren beiden Kindern
vor den Trümmern ihrer Ehe, die knappe zwanzig Jahre gehalten hatte und ihr
Lebensinhalt gewesen war. Es war zu hässlichen Szenen zwischen Manuela und ihm
gekommen. Sie warf Christian vor, sie ausgenutzt und über seine mangelnden
Gefühle zu ihr im Unklaren gelassen zu haben. Dann verschwand sie aus seinem
Leben und hinterließ ein leises Unbehagen, das er mit seiner nächsten Affäre in
den Hintergrund drängte. Heute Morgen war Manuela wieder aufgetaucht und hatte
ihn daran erinnert, dass er ihr etwas schuldig war.
    Ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen, hatte Anna Christians
schonungsloser Schilderung zugehört. Doch statt ihn zu verurteilen, wie er
erwartet hatte, sprach sie ihn zumindest von einem Teil der Schuld los. Ihrer
Meinung nach war es ungerecht von Manuela, Christian die alleinige
Verantwortung für ihre Misere in die Schuhe zu schieben. Als sie die Affäre mit
ihm begann, war sie verheiratet und alt genug, um zu wissen, dass sie ein
Risiko einging. Auch die Asymmetrie der Gefühle konnte man Christian schwerlich
vorwerfen. Ganz offensichtlich jedoch hatte er zu lange gewartet, bis er die
Beziehung beendete. Erfahren wie er war, hätte ihm früher aufgefallen sein müssen,
in welch divergierende Richtungen sich diese Affäre für beide entwickelte. Ab
der ersten Sekunde dieser wenn auch nur gefühlten Erkenntnis nutzte er Manuela
aus. Und deswegen war er ihr was

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