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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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ein ziemlicher Idiot!«
    Anna wollte ihn gerade fragen, wann er zu dieser neuen Erkenntnis
gelangt war, als Christians Handy klingelte. Er bemühte sich, es zu ignorieren
und konzentrierte sich voll auf Anna. Sie musste lächeln: »Geh schon ran,
vielleicht ist es wichtig.«
    Â»Nichts ist so wichtig wie du.«
    Â»Geh ran!«
    Christian nahm an, hörte kurz zu und bedankte sich für den Anruf.
    Â»Es war Herd«, erklärte Christian. »Sie haben das Tagebuch aus dem
Labor zurückbekommen.«
    Â»Welches Tagebuch?«
    Â»Das von Uta Berger, unserer Leiche.« Er wollte weiter erzählen,
doch Anna hob abwehrend beide Hände. »Ich habe gestern schon zu Pete gesagt,
ich will nichts davon hören, nichts damit zu tun haben.«
    Â»Du hast recht. Wir haben wichtigere Themen.«
    Beide schwiegen eine Weile und aßen. Sie hatten Scheu, auf ihre
privaten Themen zurückzukommen, zu unvergessen war das Terrain, zu groß die
Angst vor Fehltritten, die wehtun könnten. Das Vertrauen, sich bei jedem
Schritt auf den anderen stützen zu dürfen, war nicht da. Jetzt galt es, dieses
Vertrauen wieder zu fassen und erneut aufzubauen, langsam und behutsam.
    Â»Was steht drin?«, fragte Anna unvermittelt. Christian sah sie
irritiert an.
    Â»In dem Tagebuch.«
    Â»Willst du es wirklich wissen?«
    Anna nickte: »Was mir Frau Hamidi über Folterungen im Iran erzählt
hat und all das, was ich letzte Nacht gelesen habe, lässt mich nicht mehr los.
Es wäre beruhigend, wenn du mir sagen könntest, dass es sich bei eurem Fall
nicht um die Tat eines professionellen Folterers handelt.«
    Christian ließ die Gabel sinken. »Findest du einen … verzeih den
Ausdruck … freischaffenden Sadisten weniger bedrohlich?«
    Anna überlegte. »Ich glaube ja. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht
fällt es mir leichter, wenn ein Einzelner den allgemeingültigen
Gesellschaftsvertrag aufkündigt und sich außerhalb stellt, als wenn ich an den
Grundfesten unserer angeblich folterfreien Gesellschaft zweifeln und in der
Folge eigentlich selbst austreten muss.« Anna versuchte ein Lächeln. Doch es
war ihr ernst.
    Â»Schätze, ich kann dich beruhigen. Wir haben einen dringenden
Tatverdächtigen. Ein Obdachloser namens Georg Dassau, dessen Fingerabdrücke an
der Leiche waren, wird seit heute per Großfahndung gesucht. Ich muss dir nicht
sagen, dass alle Informationen, die du von mir bekommst, streng vertraulich
sind.«
    Â»Ich höre gar nicht hin«, bestätigte Anna.
    Â»Herd steckt mir eine Kopie des kompletten Tagebuchs wahrscheinlich
gerade in den Briefkasten. Aber er hat mir schon vorab gesagt, dass die
angeblich so verklemmte Uta Berger eine gefährliche Liebschaft eingegangen war.
Für mich schwer vorstellbar, dass der Obdachlose ihr Liebhaber gewesen sein
soll. Aber sie hat mit einem leider nicht näher beschriebenen Mann eine Art
Sadomaso-Beziehung gepflegt.«
    Betroffen schob Anna ihren Teller zurück. Ihr war der Appetit
vergangen. »Die ist dann wohl aus dem Ruder gelaufen, diese Beziehung. Du willst
sicher nach Hause, die Kopien lesen«, sagte sie.
    Christian schüttelte den Kopf: »Ich habe so lange nicht mehr mit dir
an einem Tisch gesessen, nichts auf der Welt könnte mich jetzt hier
wegkriegen.«
    Â»Und wenn ich mitkomme?«, frage Anna. »Natürlich nur, weil ich als
Frau und Psychologin das Tagebuch viel besser interpretieren kann als du. Dein
Ruf als Frauenversteher ist bekanntermaßen und zu Recht ziemlich mies.«
    Â»Als Honorar für die Nachhilfe gibt’s aber vorher erst unser Essen,
inklusive Dessert. Du liebst doch Crème brûlée, wenn ich mich recht erinnere?«
    Volker hatte das Tagebuch vor seinem Abendtermin
quergelesen. Ausgestattet mit den neuesten Informationen über Uta Bergers
geheimes Privatleben, fuhr er zur Uni, wo die Theatergruppe, der sich Uta vor
einigen Monaten angeschlossen hatte, im Audimax probte. Als er ankam, war die
Probe gerade in vollem Gang. Volker setzte sich in eine der hinteren Reihen und
hörte zu. Mit viel Engagement und wenig Können vergingen sich die
Nachwuchsmimen an einem Klassiker. Es dauerte eine Weile, bis Volker begriff,
dass die Punkerin auf der Bühne, die lautstark und unflätig eine andere Frau
zusammenschrie, Schillers Maria Stuart sein sollte, die in völliger Verdrehung
der historischen Tatsachen und der

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