Eischrysanthemen
neben Kira Platz und zog seinen Block heraus.
„Heute kein Diktiergerät dabei?“, fragte Kira.
„Nein, denn dann würde die Gefahr bestehen, dass die Batterien wieder abhandenkommen, oder sonst ein Unglück geschieht. Stift und Papier sind mir in diesem Fall lieber“, antwortete Vincent trocken. Er kontrollierte noch einmal die Reihenfolge seiner Unterlagen, als Kira den Moment nutzte und aus Vincents Tasche das
Portemonnaie herausfischte. Vincent war einfach nicht schnell genug, es ihm rechtzeitig abzunehmen.
„Ich denke, dass wir erst mit meiner Bezahlung anfangen sollten“, begann Kira und öffnete das Portemonnaie. Geld interessierte ihn offenbar nicht, denn dieses Fach machte er gar nicht erst auf. Stattdessen besah er sich Vincents Ausweis, seine Clubkarten und ein Foto, das Vincent und Gabriel zusammen zeigte. Der Schnappschuss stammte von einem Ausflug, den sie im Sommer an die Küste unternommen hatten. Während Vincent ein wenig verlegen in die Kamera blickte, strahlte Gabriel in die Kamera, was jeden Betrachter dazu
animieren musste, ebenfalls zu lächeln. Jeden bis auf Kira, der die Stirn runzelte und dann zu Vincent sah.
„Wer ist das?“, erkundigte er sich ziemlich spitz.
Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn Kira das Foto nicht gesehen hätte, doch nun war es nicht mehr zu ändern. Vincent räusperte sich und nahm Kira das Foto vorsichtig ab, ehe er es selbst näher betrachtete.
„Das ist ein Freund von mir. Sein Name ist Gabriel“, erklärte er und konnte die Augen für einen Moment nicht von dem Foto lösen. Er erinnerte sich noch sehr gut an diesen Tag, der mit reichlich Guinness ausgeklungen war. Dieser kurze Ausflug hatte ihnen beiden gut getan, dachte Vincent nebenbei. Eigentlich bräuchten sie wieder einmal einen solchen Tag, fand Vincent.
„Nur ein Freund, oder läuft da noch mehr?“ Kiras bohrende Frage ließ Vincent aufschauen.
„Ich wüsste nicht, was dich das angehen würde.“ Es rutschte ihm einfach so heraus, aber als er Kiras Gesicht sah, wusste er, dass er es sich nicht erlauben konnte, eine solche Frage nicht zu beantworten. „Er ist lediglich ein Freund und nicht mehr.“ Die Korrektur erfolgte etwas unwillig, aber musste sein.
„Erzähl mir mehr von ihm. Wie gut ihr euch kennt, wie er so ist, was er arbeitet. Einfach alles.“
Vincent zweifelte nicht daran, dass Kira diese Frage nur stellte, weil er gemerkt hatte, dass er ihm nichts über Gabriel erzählen wollte. Die Neugierde dieses Mannes war unverschämt, aber bei genauerer Betrachtung war es auch einerlei, ob Vincent ihm alles erzählte oder nicht. Kira und Gabriel würden sich
nie begegnen, geschweige denn miteinander sprechen. Es bestand also nicht der geringste Grund, sich Sorgen zu machen.
„Gabriel ist einer meiner besten Freunde“, begann Vincent etwas zähneknirschend zu berichten. „Wir haben uns über ein Interview kennengelernt, welches ich mit ihm durchgeführt habe.“
„Ist er ein Schauspieler?“, erkundigte sich Kira interessiert. Auf diese Frage musste Vincent jedoch den Kopf schütteln.
„Nein, Gabriel ist ... Er ist ...“ Irgendwie wollte es nicht so recht über Vincents Lippen, bis er sich einen Ruck gab. „Gabriel ist ein Callboy.“ Er hasste es, Kira das zu sagen. Nein, er schämte sich nicht dafür, dass Gabriel aus dem horizontalen Gewerbe kam. Dafür gab es nicht den mindesten Grund, denn selbst wenn Gabriel seinen Körper verkaufte, war er einer der unterhaltsamsten und charmantesten Männer,
die Vincent kannte. Für ihn brauchte man sich nirgendwo zu schämen. Das, was ihn wirklich ankotzte, war die Reaktion der Leute, wenn sie es hörten. Die meisten taten, als wäre das etwas ganz Unerhörtes und Abartiges, womit man bloß nichts zu tun haben sollte.
„Er ist also ein Stricher“, sagte Kira ziemlich abwertend. Das genügte, um in Vincent echten Ärger zu wecken.
„Er ist kein Stricher, sondern ein Callboy. Das ist ein Unterschied“, fauchte er unfreundlich, nahm Kira das
Portemonnaie aus der Hand und stopfte da s Foto wieder in das dafür vorgesehene Fach.
„Wo liegt da der Unterschied? Er macht die Beine für andere breit und lässt sich dafür bezahlen.“ Kira lehnte sich ein wenig zurück und stützte sich mit den Armen auf dem Bett ab, was sehr provozierend wirkte. Besonders in Verbindung mit dem, was er sagte.
„Natürlich gibt es da einen Unterschied! Ein Stricher arbeitet auf der Straße, kommt mit seinem Leben oft nicht klar und hat
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