Eisenhand
Anger vor ihrem Domizil parkte protzig das neueste Modell eines Streitwagens.
Diese wenig beeindruckenden Gestalten würden reiche Spender nie aus eigener Kraft, sondern nur im Kielwasser einer mächtigeren Persönlichkeit anlocken. Mit der im Rücken aber wagte niemand einen Einwand, wenn die Zaunlatten nach kostbaren Geschenken winselten. Zumindest die Brukterer wollten es sich nicht mit ihnen verderben. Ganz ohne Zweifel waren diese zwielichtigen Herren der männliche Anhang der Seherin Veleda.
Wir waren aneinandergefesselt, durften uns aber ansonsten frei bewegen.
Schnurstracks marschierten wir als erstes im Gänsemarsch zu Veledas Domizil. Ich hätte es längst wissen müssen! Wann hat man je gehört, daß die Kelten hohe Türme bauten? Veleda hatte sich auf einem alten römischen Schanzenausguck eingenistet.
Freilich war der nun pervertierte Bau etwas verändert worden. Die Plattform oben für die Leuchtfeuer und den Beobachtungsposten war zwar noch vorhanden, aber mit Wänden aus Flechtwerk umkleidet und mit einem behaglichen Schindeldach gedeckt worden. Kein Zweifel: Der Beinahe-Sturz unseres Imperiums wurde von einem unserer eigenen Stützpunkte aus dirigiert. Angewidert wandten wir uns ab.
Die Quellen der Lupia hatten sich hier längst vereinigt, und der Fluß war breit und tief genug für den Schiffsverkehr. Am Ufer hatten allerhand einheimische Boote festgemacht, darunter hochwandige Ledersegler und verschiedene Ruderboote. Außerdem entdeckten wir ein noch wesentlich größeres Schiff, das hier seltsam aus dem Rahmen fiel. Die Rekruten waren begeistert und liefen immer wieder hin, um es zu bestaunen, ohne auf das Geschrei unserer Wächter zu achten. Ich hatte vergessen, daß viele von ihnen von der Adriaküste stammten und eigentlich mit Leib und Seele Matrosen waren.
»Nein, sowas! Eine Liburne!«
Die Liburne ist ein leichtes, wendiges, auch zum Segeln verwendetes Ruderschiff, das Piratenbooten nachempfunden ist und in der römischen Flotte sehr beliebt ist. Dieser Schnellsegler hatte einen farbenprächtigen Neptun als Bugschmuck und war nach achtern mit einer luxuriösen Kabine ausgestattet. Er wirkte durchaus seetüchtig, auch wenn die Hälfte der Ruder fehlten und die Takelage heillos verheddert war. Die Seherin schien sich das Schiff jedenfalls nicht für gelegentliche Mondscheinfahrten zu halten. Vielmehr lag die Liburne wohl schon seit Monaten verlassen hier vor Anker.
»Das«, sagte ich, »kann nur das Flaggschiff sein, das Petilius Cerialis sich hat stehlen lassen.«
»Mann! Ist das aber eine Schönheit, Falco! Wie konnte dem Legaten denn sowas passieren?«
»Ganz einfach – er war bei seiner Gespielin im Bett.«
»Aber Falco!«
»Recht hast du, Junge! Regen wir uns jetzt nicht über die Nachlässigkeit des Generals auf. Schließlich ist es uns nicht besser gegangen als seiner schnittigen Liburne: Präsente für Frau Veleda, allesamt! Also verhaltet euch ruhig, bleibt zusammen und seid auf der Hut. Der letzte lebende Römer, den die Dame geschenkt bekam, ist spurlos verschwunden. Und so sicher, wie ein echter Held nach Ambrosia rülpsen muß, ist der arme Teufel nicht mehr am Leben.«
Trotz meiner düsteren Prophezeiung hoffte ich, der verschollene Legat Lupercus könne sich den Eingeborenen angeschlossen haben und hier wie ein Fürst mit Veleda zusammenleben. Es war freilich eine so vage Hoffnung, daß mir selbst ganz elend dabei wurde, schließlich kannte ich die wahrscheinlicheren Alternativen nur zu gut. Und ich wußte, daß die auch für uns galten.
»Ob die Seherin wohl jetzt in ihrem Turm ist, Falco?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Werden Sie sie um ein Gespräch bitten?«
»Das würde man mir wohl kaum bewilligen. Aber ich will auf alle Fälle mal die Lage peilen.«
»Oh, gehen Sie ja nicht da rauf, Falco! Sonst kommen Sie vielleicht nie mehr wieder.«
»Danke, ich werd’s mir merken.«
Die bruktische Volksversammlung war offenbar lange vorbereitet.
Trotzdem hatte die Gastronomie sicher ihre liebe Not damit, denn die Keltenstämme sind bekannt dafür, daß sie zu einem Treffen gern bis zu drei Tage vor oder nach dem verabredeten Datum erscheinen. Hier war die Tafel auf roh behauenen, aufgebockten Tischen gedeckt. Offenbar war das Festmahl schon geraume Zeit im Gange; es sollte dem Fußvolk anscheinend die Zeit vertreiben, bis die hohen Damen und Herren zu erscheinen geruhten. Ich fragte mich, wer die Einladungen an diesen bunt zusammengewürfelten Haufen
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