Eisenhand
Falco. Hoffen wir in unser aller Interesse, daß wir nicht zur falschen Zeit des Monats an ihre Tür klopfen.«
Ich hatte fünf Schwestern und eine Freundin, die alle auf mich losgingen, wenn sie schlecht aufgelegt waren; da lernt man, sich zu ducken. Aber diese Dame hielt wahrscheinlich jeden Tag, an dem sie sich mit Römern abgeben mußte, für den falschen.
Sie schritt zwischen den tafelnden Männern auf und ab, als wolle sie jeden einzeln willkommen heißen. Als Gastgeberin war sie weder zu kühl noch übertrieben charmant. Sie gab sich offen und zugleich äußerst reserviert. Soweit wir sehen konnten, rührte sie kein Essen an (Teil ihrer Aura – die Durchgeistigte, unabhängig von irdischer Nahrung), aber einmal hob sie der ganzen Versammlung wie zum Salut einen Becher entgegen, was mit Beifall und fröhlichen Zurufen quittiert wurde. Während sie an den Tischen die Runde machte, sprachen die Leute ohne Scheu mit ihr wie Gleichberechtigte, aber ihren Antworten wurde mit stiller Andacht gelauscht. Nur einmal sahen wir sie lachen, und zwar mit einem Krieger, der offenbar seinen halbwüchsigen Sohn das erste Mal mit zur Versammlung gebracht hatte. Anschließend unterhielt sie sich minutenlang mit dem Neuling, der freilich so überwältigt war, daß er kaum ein Wort herausbrachte.
Man überreichte ihr Geschenke. Der Krieger, der mich gefangengenommen hatte, gab ihr mein Messer.
Unser Häuptling deutete auf uns. Offenbar hatte sie ihm für das Präsent gedankt. Sie schaute einmal kurz in unsere Richtung und schien alles über uns zu wissen, ohne daß ihr jemand etwas gesagt hatte.
Dann setzte sie ihren Rundgang fort.
Mit beiden Händen zerriß ich das Seil, das mich an die Kameraden fesselte. Ich ging langsam auf sie zu – allerdings nicht so nahe, daß ich mir einen Lanzenstoß durch die Kehle verdient hätte. Sie war größer als ich. Ihr hübscher Halsring aus geflochtenem Gold war zwar nicht so schwer wie manch anderer, dafür aber um so kunstvoller getrieben; ich hielt ihn für eine spanische Arbeit. Ihre Ohrringe stammten aus einer griechischen Werkstatt – goldene Halbmonde, ungewöhnlich fein ziseliert, ein Gedicht. Genau wie ihre zarte, klare Haut. Einen Moment lang war es, als näherte ich mich irgendeinem hübschen Mädchen, das beim Verteilen des Familienerbes besonders gut weggekommen ist. Doch dann traf mich die ganze Wucht ihrer Persönlichkeit. Aus nächster Nähe dominierte ihre ungeheure Intelligenz, wach, geschliffen und sprungbereit. Und dazu die tiefblauen Augen, die geradezu auf die Konfrontation mit mir gewartet zu haben schienen. Sie blickten vollkommen ruhig. Noch nie war ich einem Menschen begegnet, der sich so grundlegend von mir und meinesgleichen unterschied.
Das Gefährlichste an ihr war ihre Ehrlichkeit. Der Zirkus von Kesselflickern, der sie umgab, mochte aus lauter Scharlatanen bestehen. Aber Veleda hielt sich abseits und strahlte, unberührt von ihrem geschmacklosen Gaukelspiel, kraftvolle Stärke aus.
Ich wandte mich an den Häuptling. »Sagen Sie Ihrer weisen Frau, daß ich die weite Reise von Rom hierher gemacht habe, um mit ihr zu sprechen.« Ich wunderte mich, daß keiner nach seiner Waffe griff, aber die Krieger schienen gewohnt, von ihr das Zeichen zum Einsatz zu bekommen. Sie stand regungslos. Auch der Stammesfürst reagierte nicht. »Sagen Sie der hohen Frau«, beharrte ich, »daß ich Sie im Namen Cäsars zu sprechen wünsche!«
Die Erwähnung des verhaßten und gefürchteten Titels entlockte Veleda eine rasche, ungeduldige Bewegung. Der Häuptling sagte etwas zu ihr, aber sie gab keine Antwort.
Diplomatisch vorzugehen ist schon schwer genug, wenn der Verhandlungspartner den Versuch zu schätzen weiß. Mir platzte der Kragen. »Schauen Sie doch nicht so feindselig, schöne Frau – Sie ruinieren sich Ihr hübsches Gesicht!« Nachdem ich meinem Ärger Luft gemacht hatte, egal, ob sie mich verstand oder nicht, konnte ich nicht mehr an mich halten. »Ich komme in friedlicher Absicht. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie selbst sehen, wie blutjung und schüchtern meine Eskorte ist. Wir können den mächtigen Brukterern nicht gefährlich werden.« In Wahrheit hatten ihre Abenteuer – und wahrscheinlich auch das lebendige Beispiel zweier so zäher Haudegen wie Helvetius und mir – die Rekruten sichtlich gestählt.
Meine Rede schien bei Veleda auf (freilich eher geringschätziges) Interesse zu stoßen, also fuhr ich rasch fort: »Es ist wirklich nicht leicht,
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