Eisenhand
verschickt haben mochte. Und dann versuchte ich, ganz schnell die Frage zu verdrängen, wie dieser Schießbudenverein wohl über uns urteilen würde.
Unsere interessante Gefangenenseilschaft erregte allerhand Aufsehen. Die Unterlinge anderer Stammesfürsten fühlten sich bemüßigt, aufzutrumpfen und die erfolgreichen Krieger unseres Häuptlings zu schmähen. Dazu bedienten sie sich der üblichen Drohgebärden gegen uns, die wir aber ignorierten, da unsere Wärter bestimmt nicht zulassen würden, daß andere ihnen das Privileg, uns zu foltern, streitig machten. Inzwischen fühlten wir uns unserem Haufen fast schon zugehörig, feuerten ihn lautstark an und setzten einen richtig lebhaften Streit in Gang. Aber keiner schien für unsere Unterstützung dankbar; allmählich waren sie des Streitens müde und machten sich wieder über das Festmahl her.
Auch wir bekamen zu essen, allerdings in weit bescheidenerem Rahmen. Die Krieger saßen vor einfachen, aber herzhaften Speisen: Brot, Früchte, gebratenes Wildbret und ich glaube auch Fisch. Für uns hatte der Koch sich die Mühe gemacht, wieder einen seiner Spezialbreie anzurichten; er schmeckte wie Zugsalbe. Zu trinken gab es eine Art fermentierten Preiselbeersaft, aber ich befahl den Rekruten, sich zurückzuhalten, für den Fall, daß wir später noch einen klaren Kopf brauchten. Nach unserer flüchtigen Begegnung mit der Jungfrauenschwester waren die Frauen hier ein großer Fortschritt; besonders das Mädchen, das mit dem Saftkrug herumging, wäre eine Sünde wert gewesen. Ich verbot unseren Jungs auch das Flirten aufs strengste und wurde daraufhin einstimmig zum unbeliebtesten Mitglied unserer Gruppe gekürt.
Langsam verging die Zeit. Ich lehnte mich gegen einen Baum und dachte darüber nach. Zeit schien hier keine Rolle zu spielen. Aber das war ja auch nicht anders zu erwarten von Banausen, die nie eine Sonnenuhr erfunden, geschweige denn eine italienische Wasseruhr importiert hatten, mit der sie sich die Freizeit präzise einteilen konnten. Diese Wilden schienen tatsächlich von dem Irrglauben beseelt, im Leben käme es nur darauf an, alle Freuden in vollen Zügen zu genießen. Falls sich die asketischen Dogmen griechischer Philosophie jemals in diesen abgeschiedenen Wälder herumsprechen sollten, stand den armen Germanen ein böser Schock bevor. Und wenn man sah, wie chaotisch es bei ihnen zuging, wunderte es niemanden mehr, warum die Söhne und Stiefenkel des über alle Maßen durchorganisierten Augustus es nie geschafft hatten, genügend Stammesfürsten für eine anständige Kapitulationsschau in Rom zusammenzutrommeln. Natürlich hatte Rom Schulungen für Nomadenstämme ausgearbeitet – aber bei diesen Nordländern fruchtete der Unterricht erst, wenn man ihnen vorher haarklein den Nutzen auseinanderklamüserte, den sie daraus ziehen würden.
Jetzt saßen wir bei den Brukterern auf der Schulbank, aber die Lehrmeister ließen uns warten; ein Verstoß gegen jede diplomatische Etikette, den wir entsprechend ungehalten vermerkten.
Nichts geschah. Niemand außer uns schien darauf zu warten, daß etwas passierte. Allmählich fand ich die ganze Veranstaltung ziemlich sinnlos. Da saßen wir nun, abseits von der Festgesellschaft, mit einem elenden Strick aneinandergeknotet, und brannten darauf, daß endlich etwas Offizielles geschah – und wenn es nur die offizielle Eröffnung unseres Prozesses gewesen wäre.
Ascanius winkte dem Mädchen mit dem Saftkrug. Als sie ihn ignorierte, versuchte er, sie am Saum ihres groben Wollrocks zu erwischen. Da hob sie ihren Krug, und mit einer Miene, als mache sie das nicht zum ersten Mal, schüttete sie ihm den restlichen Inhalt über den Kopf.
Manche Dinge sind überall auf der Welt gleich.
Als sie, das hübsche Näschen keck in die Luft gereckt, davontänzelte, lächelte ich matt, darauf schenkte sie mir ein wirklich ganz reizendes Lächeln. Mein Ansehen bei der Truppe stieg wieder.
Anderen Leuten beim Essen zuzusehen ist eine eintönige Angelegenheit.
Die Zeit tröpfelte weiter vor sich hin. Der Abend kam. Dem, was Dubnus mir über die germanischen Trinkgewohnheiten erzählt hatte, zum Trotz, schien das Preiselbeergebräu eine jener Mischungen zu sein, die bekanntlich eine heimtückische Wirkung haben. Meine Großtante Phoebe setzte mit Myrtenbeeren ein ganz ähnliches Gesöff an, das bei den Saturnalien jedesmal zu Aufruhr führte. Tantchens Tropfen hätte man auch hier zu schätzen gewußt. Bald wurde die Unterhaltung
Weitere Kostenlose Bücher