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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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reizen und etwa nach ihrem Häuptling zu fragen oder wann es Pause gäbe.
    Stunden schienen vergangen, als wir endlich eine Siedlung erreichten. Langgezogene Fachwerkhäuser mit Lehmbewurf und steilen Dächern, die fast bis zum Boden reichten. Ein paar bleiche Gesichter, die uns im Schein rußiger Fackeln anstarrten. Ein muhendes Rind.
    Unsere Viehtreiber scheuchten uns laut johlend durch ein Tor in einen Stall, der im rechten Winkel an das größte Haus angebaut war. Bis vor kurzem mußte hier noch Vieh gestanden haben, der Gestank ließ keinen Zweifel daran. Wir taumelten in einen breiten Mittelgang, von dem rechts und links Boxen abgingen, unterteilt durch Pfeiler und Heuraufen. Am anderen Ende des Raumes war eine große, offene Feuerstelle. Das Tor schlug zu, und wir hörten, wie von draußen ein mächtiger Balken vorgeschoben wurde. Es dauerte nicht lange, bis wir die schmuddelige Herberge erkundet hatten. Wir hockten uns einfach auf die Fersen und schauten uns um.
    »Was soll jetzt werden, Falco?« Wir hatten jenen unheilvollen Tiefpunkt erreicht, wo den Leuten nichts anderes übrigbleibt, als sich an mich zu wenden. Wahrscheinlich würde es jetzt auch nicht mehr lange dauern, bis sie mich daran erinnerten, daß die Marschroute entlang der Lupia meine Idee gewesen war.
    »Erst mal abwarten.« Ich klang halbwegs zuversichtlich. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß wir uns aus ihrer hochqualifizierten Anwaltschaft einen Spitzenverteidiger aussuchen dürfen.«
    »Wie sind die überhaupt auf uns gestoßen, Falco?«
    »Ich schätze, Dubnus hat sie alarmiert.«
    Wir richteten uns auf langes Warten ein; was an dessen Ende passieren würde, war wohl kaum erfreulich.
    »Vielleicht kommt ja eine schöne Jungfrau, bringt uns etwas zu essen, verliebt sich in mich und hilft uns, zu fliehen«, meinte Ascanius versonnen. Er war der hagerste und – hygienisch betrachtet – verkommenste unserer Rekruten.
    »Auf das Essen würde ich mir genausowenig Hoffnung machen wie auf den Anwalt, Ascanius.«
    Ungefähr in der Mitte unseres Gefängnisses befand sich eine Luke mit einem Fensterladen davor. Neugierige blonde Kinder hakten den Laden auf und lugten stumm zu uns herein. Helvetius wurde das Gegaffe bald leid, ging hin und sperrte den Laden wieder zu. Dabei sah er die großen Krieger draußen in Grüppchen beieinander stehen und herumreden. Vorsichtshalber duckte er sich rasch, damit sein krausgelockter Römerkopf sie nicht auf mordlüsterne Gedanken brachte.
    Die Männer draußen warteten offenbar auf jemanden. Es verging noch etwa eine Stunde, bevor derjenige kam. Das Stirnmengemurmel draußen schwoll an. Bald schnatterten alle so aufgeregt durcheinander wie meine Verwandten, wenn sie sich bei einem Familientreffen darüber in die Haare kriegen, ob Großtante Atia nun im Mai oder im Juni Geburtstag hat. Sogar dem bedeutenden Neuankömmling muß das auf den Geist gegangen sein, denn plötzlich öffnete er polternd das Tor und kam herein, um uns zu inspizieren.
     
    Er war um die fünfzig. Sein rotbraunes Haar war schütter und ausgebleicht, was er offenbar durch Länge wettzumachen suchte. Jedenfalls reichte es ihm in wirren Zotteln weit über den Rücken hinab. Xanthus wäre entsetzt gewesen. Außerdem trug er einen langen Schnurrbart, der dringend einer kräftigen Pomade bedurft hätte, und hatte eine rote Knollennase und recht wäßrige blaßgraue Augen. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein großer Mann: Schultern, Knochenbau, Kopf, Hände, alles an ihm war riesig. Er trug braune Wollhosen, eine langärmlige Tunika, einen grünen Mantel mit runder Goldbrosche dran, die nicht nur das faltenreiche Ensemble zusammenhielt, sondern sich auch eindrucksvoll hob und senkte und deutlich machte, wie weit seine Brust sich bei jedem Atemzug dehnte. Der eine oder andere von den Viehtreibern draußen hatte vielleicht etwas unterernährt gewirkt, aber dieser Bursche strotzte vor Kraft.
    Er kam in Begleitung seiner Leibwache. Lauter junge Burschen, von denen jeder gut als Vorlage für eine Statue vom edlen Keltenkrieger hätte dienen können, wenn man sie erst ein bißchen rausgefüttert und den melancholischen Germanenblick gelehrt hätte. So stierten sie genauso stumpfsinnig ins Leere wie die Dorfjugend jedes x-beliebigen Landes auch. Die meisten hatten, zum Zeichen, wie abgehärtet (oder wie arm) sie waren, auf die Tunika verzichtet. Sie spuckten häufig aus und funkelten uns boshaft an, so oft ihnen einfiel, daß sie sich

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