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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Gefangenen gegenüber möglichst ekelhaft zu benehmen hatten. Jeder von ihnen trug ein überlanges Germanenschwert, vermutlich, damit sie was zum Anlehnen hatten, wenn ihr Herr sie warten ließ. Er sah ganz so aus, als würde er unermüdlich neue Interessen verfolgen, und in seiner Miene lag etwas Exzentrisches, das ihm Charakter verlieh. Selbst in Rom hat jener leichte Hauch von Wahn schon manchem Kandidaten zum Sieg verholfen.
    Deprimiert und wütend über unsere eigene Dummheit, machten wir keinen Versuch, ihn mit höflicher Konversation zu empfangen, sondern blieben einfach in zwei Reihen zu beiden Seiten des Ganges sitzen.
    Er ging zwischen uns auf und ab. Niemand sprach. Wir waren hungrig und müde und ließen uns das auch anmerken, allerdings ohne dabei demoralisiert zu wirken. Ein Mann mit stolzem Römerstammbaum kann trotzig und entschlossen dreinschauen, selbst wenn er zwei Fuß tief in Kuhscheiße hockt. Na ja, Helvetius zumindest brachte es fertig; aber er hatte ja auch den Vorteil, Zenturio zu sein – ein hochnäsiger Rang.
    Der Häuptling war ein Mann, dessen langsamer, schwerer Schritt etwas Bodenständiges hatte. Jetzt ging er zurück zum Tor, machte kehrt und musterte uns aufs neue. Dabei zischte er, als wolle er Himbeerkerne ausspucken. Dies schien sein Urteil über unsere Gruppe zu sein, ein hörbares Zeichen der Verachtung. Ich war verblüfft, daß er zwei Zähne finden konnte, die für so ein Kunststück noch nahe genug beieinanderstanden, denn sowohl in seinem Ober- wie im Unterkiefer klafften auffallend große Lücken.
    »Man sollte ihm mal raten, mit dem Trick vorsichtig zu sein«, höhnte Ascanius. »Wahrscheinlich hat er die anderen Zähne genau dabei verloren.«
    Der Blick des Häuptlings fiel auf unseren Scherzbold. Uns wurde klar, daß er Ascanius verstanden hatte.
     
    Ich stand auf, als sei ich der gewählte Sprecher.
    »Wir kommen als Freunde«, beteuerte ich. M. Didius Falco, der unverbesserliche, naive Optimist. »Wir sind auf dem Weg zu Veleda, eurer berühmten Seherin.« Veledas Name zeigte ungefähr soviel Wirkung wie der Versuch, einer Rabenkrähe ihr Frühstück auf einem Salatblatt zu servieren.
    »Ihr kommt also als Freunde?« Der Häuptling reckte das Kinn. Er verschränkte die Arme. Die Pose hatte zwar etwas Klischeehaftes, war aber unter den gegebenen Umständen durchaus wirkungsvoll. »Ihr seid als Römer ins freie Germanien eingedrungen.« Sein Akzent im Lateinischen war grauenhaft, aber um ein miefiges Renegatenhäuflein zur Schnecke zu machen, reichte es allemal. »Ihr habt hier nichts zu melden. Wir sind die Brukterer«, beschied der Häuptling uns herrisch. »Wir bestimmen hier! «
    Dann pfiff er nochmals angewidert durch die Zähne und ging.
    »Jetzt ist’s wirklich Essig«, rief unser unbelehrbarer Ascanius. »Der streicht uns die Jungfrau. Also kein Abendessen heute, Jungs!«
    Und diesmal sollte er recht behalten.

L
    Die schöne Jungfrau war am nächsten Morgen wohl verhindert, denn sie ließ sich durch ihre Schwester vertreten. Diese hatte die Figur einer Zeltstange, ein Gesicht wie die Unterseite eines Felsbrockens und die Persönlichkeit einer Stubenfliege. Das allein hätte uns vielleicht nicht so deprimiert, aber sie war außerdem diejenige, die nicht kochen konnte.
    »Besten Dank, liebes Kind«, sagte ich höflich zu ihr, während die anderen Grimassen schnitten. »Wir sind entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen – Ihre und die Ihres Kochtopfs.« Sie hatte vier Schüsseln für zweiundzwanzig Mann gebracht und einen lauwarmen Metallkessel mit klebrigem Haferschleim.
    Ohne auf meine Galanterie zu achten, stapfte sie wieder hinaus. Ich tat, als hätte ich ein Faible für Frauen, die nicht gleich so deutlich rangehen.
    Das Frühstück war eine Erfahrung, die eigentlich jeder mal machen sollte, damit er bei jedem mißratenen Gericht, das er in Zukunft löffelt, weiß, es hätte schlimmer sein können.
     
    Die Brukterer, die uns aufgegriffen hatten, waren allesamt Langschläfer. Ja, der ganze verträumte Weiler wäre der ideale Erholungsort gewesen, hätten die Bewohner uns nur ein bißchen sympathischer gefunden. Erst gegen Mittag rührte sich draußen etwas. »Achtung, Männer, da geht was vor …«
    Wir spähten aus unserer Luke und stellten fest, daß man Kundschafter zurückgeschickt hatte, um unser Lager zu plündern.
    Helvetius und ich drängten die Rekruten beiseite und zählten unsere Ausrüstung und die Pferde mit. »Da fehlen sechs Gäule und ein

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