Eisenhand
hinterlistiger Verweis darauf, daß irgendwo noch eine dritte Partei wartete (in Wirklichkeit hatten sie die Trompete wahrscheinlich einfach an einen Baum gehängt). Sie sahen prächtig aus; einer – oder womöglich auch beide – hatte den ganzen Nachmittag damit zugebracht, Federbüsche zu kämmen und Bronze zu polieren. Helenas Bruder benahm sich den Brukterern gegenüber, als hätte er eine fünfzehntausend Mann starke Armee hinter sich, die gleich an der nächsten Straßenecke wartete. Nun gab es hier zwar keine Straßen, aber Camillus Justinus sah aus, als hätte er eigens eine für sich bauen lassen. Leider gab es weder die Straße noch die Armee – das wußten wir.
Für einen Mann, der seit einem Monat in der Wildnis unter einem Zeltdach kampiert hat, sah der Tribun tadellos aus. Und auch die draufgängerische Attitüde beherrschte er perfekt. Er ritt das beste unserer gallischen Pferde und hatte offenbar unseren Vorrat an Olivenöl geplündert, denn der Gaul glänzte bis hinunter zu den Hufen wie ein lebender Spiegel. Der Reiter stand seinem geschniegelten Roß in nichts nach. Justinus und Orosius hatten es sogar fertiggebracht, sich mitten im germanischen Urwald tadellos zu rasieren. Neben den beiden kamen wir uns vor wie das von Flöhen geplagte, radebrechende Gesindel, das beim Rennen nicht mal dann einen Platz kriegt, wenn der Torhüter Mittagspause macht und nur seinen zehnjährigen Bruder als Rausschmeißer dagelassen hat.
Justinus trug die volle Rüstung mit allen Ehrenzeichen, die seinem Tribunrang zukamen, dazu ein paar Phantasiedekorationen, die er selbst entworfen hatte: eine weiße, violett gesäumte Tunika; funkelnagelneue Beinschienen mit Goldbeschlägen; einen feschen Roßhaarschweif auf einem Helm, der so blankgewienert war, daß jedesmal, wenn Justinus den Kopf drehte, ein Blitzstrahl durch den Wald zuckte. Der Harnisch über seinem dichtbefransten Lederpanzer glänzte dreimal so hell wie üblich. Über seinen dekorativ modellierten Heldentorso hatte er den schweren Purpurmantel drapiert, und in der Armbeuge trug er eine Art Zepter, das er offenbar einem Standbild des Augustus nachempfunden hatte. Auf seinem Antlitz lag die noble Gefaßtheit eines Kaiserporträts, und wenn sich dahinter womöglich Furcht verbarg, so hätten das nicht einmal seine Freunde sehen können.
Er ritt im Halbkreis um den Platz, schön langsam, damit die Seherin seine Aufmachung auch gebührend bewundern konnte, und stieg dann ab. Orosius nahm die Zügel – und das Zepter – mit stummer Ehrerbietung entgegen. Mit großen Schritten ging Justinus auf Veleda zu und nahm respektvoll den Helm ab. Die Camilli waren alle hochgewachsen; besonders in den dreifach besohlten Militärstiefeln. Vielleicht zum ersten Mal sah Veleda einem Römer gerade in die Augen. Die Augen, in die sie jetzt blickte, waren groß, braun, bescheiden und grenzenlos ehrlich.
Justinus stutzte, errötete leicht – sehr wirkungsvoll! Daß er seinen goldenen Kopfschmuck abnahm, hatte der Dame schon seine unverhohlene Bewunderung und jungenhafte Schüchternheit verraten. Das empfindsame Augenpaar machte nun den Zauber perfekt, und er setzte ihrer unergründlichen Stille seine ruhige Standhaftigkeit entgegen.
Dann hörten wir ihn sprechen. Offenbar wollte er Veleda vertraulich anreden, aber seine Stimme hallte über den Platz.
Wir kannten den Mann. Wir kannten die Stimme. Und doch hatten wir nicht die leiseste Ahnung, was er zu der Seherin gesagt hatte.
Camillus Justinus hatte sich ihrer Sprache bedient.
Er tat es mit jener lässigen Eleganz, die ich schon von seinem Griechisch her in Erinnerung hatte. Veleda brauchte länger, um sich wieder zu fangen, als ihr wahrscheinlich lieb war. Dann neigte sie den Kopf. Justinus sagte wieder etwas zu ihr, diesmal schaute sie zu uns herüber. Offenbar hatte er etwas gefragt. Sie erwog ihre Antwort, entschied sich dann aber rasch.
»Ergebensten Dank«, sagte Justinus, diesmal in formvollendetem Latein, wie um ihr das Kompliment zu machen, daß er ihr selbstverständlich zutraute, auch unsere Sprache zu sprechen. »Wenn Sie erlauben, möchte ich erst noch rasch meine Freunde begrüßen …« Er bat sie nicht wirklich um Erlaubnis, sondern konstatierte unmißverständlich seine Absicht. Dann wandte er sich mit einer höflichen Verbeugung ihr zu: »Ich heiße übrigens Camillus Justinus.«
Seine Miene verriet nichts, als er jetzt auf uns zukam. Und wir benahmen uns seinem Vorbild entsprechend. Gemessen
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