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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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dazu das Flaggschiff des Cerialis an ihrem eigenen Landungssteg schaukeln sah, würde sich kaum davon beeindrucken lassen. Andererseits wußte Veleda so gut wie ich, daß Cerialis – obwohl ein lausiger Stratege – am Ende den Sieg davongetragen hatte.
    »Man hat mir erzählt«, berichtete die Seherin und schien sich schon im voraus an meiner betretenen Miene zu weiden, »daß unser Vetter Civilis sich das Haar wieder rot gefärbt hat.«
    Das war ein unverhoffter Treffer! Ich hatte schon gar nicht mehr mit Neuigkeiten von Civilis gerechnet. Es klang allerdings nicht so, als ob der Rebellenführer bei ihr untergeschlüpft sei.
    »Ihr Vetter ist nicht zufällig bei Ihnen?«
    »Civilis fühlt sich nur am linken Rheinufer daheim.«
    »Ach? Sonst nirgends? Nicht einmal auf der Bataverinsel?«
    »Heutzutage nicht einmal mehr dort, nein.«
    »Rom wird den Civilis schon noch halbieren. Die Frage ist nur, ob Sie, geniale Seherin, den Mut haben, einzugestehen, daß die neugegründeten Legionen nicht besiegt worden sind. Kurzum: Werden Sie uns helfen, die Welt, die wir alle um ein Haar verloren hätten, wiederaufzubauen?«
    Langsam gingen mir die Appelle aus. Die Seherin stand immer noch so still und regungslos, daß ich mir vorkam wie einer, der auf Granit beißt. »Die Entscheidung«, sagte sie endlich, »liegt bei den Brukterern.«
    »Ach, sind sie deshalb hier? Veleda, geben Sie Ihren fanatischen Widerstand gegen Rom auf. Wenn Sie zur Umkehr raten, werden die Brukterer auf Sie hören, und mit ihnen viele andere Stämme.«
    »Sie irren, es geht hier gar nicht um mich. Aber die Brukterer werden den Widerstand gegen Rom nie aufgeben.«
    Als ich mir jetzt die Stammeskrieger ansah, war ich selbst überrascht, daß diese Trutzgestalten überhaupt jemals auf irgendwen gehört hatten.
    Veleda blieb so unnahbar wie ein griechisches Orakel oder die Sibylle. Aber ihre Masche mit dem Turm war vermutlich der gleiche faule Zauber wie weiland die erschreckenden Rituale in Delphi oder Cumae. Nur sagen griechische und römische Propheten das Schicksal voraus in Form von Rätseln, während Veleda mit der lauteren Wahrheit argumentierte. Das, dachte ich, ist ihr bester Trick! Wie ein Redner, der die geheimen Gedanken seines Publikums in Worte faßt, so stützte sie sich auf Gefühle, die tief im Herzen ihres Volkes verankert waren. Und die Arglosen glaubten hinterher, sie hätten selbst entschieden. Wir hatten es ja gerade selbst erlebt: Sie mimte so zurückhaltend und neutral die Gastgeberin dieser Versammlung, als wolle sie sich an der anstehenden Entscheidung gar nicht beteiligen. Und doch war ich überzeugt, daß sich, wenn es zur Abstimmung käme, ihr Wille durchsetzen würde. Für Rom wäre das eine Katastrophe. Aber Veleda schien unerbittlich.
    Meine Audienz war vorüber. Veleda, die sich ohnehin nur ganz selten in der Öffentlichkeit zeigte, wandte sich zum Gehen. Sofort nahmen ihre Begleiter rechts und links von ihr Aufstellung, um sie vor Zudringlichkeiten zu schützen.
    Noch einmal wandte sie sich nach mir um. Es war, als hätte sie meine Gedanken erraten: Wenn bei dieser Versammlung große Entscheidungen anstanden, waren wir vielleicht gerade zur rechten Zeit gekommen. Sichtlich erfreut machte sie mir klar, daß ich nichts würde ändern können. »Sie und Ihre Kameraden sind mir soeben zum Geschenk gemacht worden. Die Häuptlinge haben mich gebeten, euch ein Schicksal zu bereiten, das Sie vermutlich erraten können?« Zum ersten Mal las ich Neugier in ihrem Blick, als sie jetzt fragte: »Fürchten Sie sich vor dem Tod?«
    »Nein.« Aber wütend wäre ich, wenn es mich so dumm erwischte.
    »Ich habe mich noch nicht entschieden«, meinte sie freundlich.
    Ich raffte mich zu einer allerletzten Retourkutsche auf. »Veleda, Sie würden sich erniedrigen und Ihren hochgeehrten Namen beschmutzen, wenn Sie einen alten Soldaten, seinen Diener und eine Schar Rekruten, die noch halbe Kinder sind, so einfach abschlachten lassen.«
    Ich hatte die ganze Sippe beleidigt. Der Häuptling, der uns hergebracht hatte, beförderte mich mit einem einzigen gewaltigen Schlag zu Boden.
     
    Veleda hatte ihren Turm erreicht. Ihre Stammesbrüder versammelten sich zum Abschied vor dem Eingang. Als die schlanke Gestalt in ihrem Schlupfwinkel verschwand, fiel der Schatten des mächtigen Römertores auf ihr goldenes Haar. Dann hatte der Meldeturm sie auch schon verschluckt – ein gespenstischer Effekt.
    Er wirkte um so nachhaltiger, wenn man mit zerbeultem

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