Eisenhand
Tribun seiner Meinung nach schwer in Ordnung sei. Ich kniff ihn ins Ohr und sagte, das sei bereits allgemein bekannt.
Ich hätte es wissen müssen. Er war nicht umsonst so neugierig und wissensdurstig. Camillus Justinus würde nicht drei Jahre lang die Grenzen einer Provinz bewachen, ohne die Sprache ihrer Bewohner zu erlernen. Aber jetzt war er ganz auf sich allein gestellt – und das nicht nur mit etwaigen Sprachproblemen.
Er war von einer Gründlichkeit, die ich nur bewundern konnte. Mit seiner frisch-fröhlichen Art und der altmodischen Idee, ein Offizier müsse jeden Soldaten seines Kommandos mit Namen kennen, hatte diese reine Seele sogar einen hartgesottenen Trompeter dazu gebracht, ihn eine halbwegs passable Vigilie blasen zu lehren. Der Monat als Waldläufer war ihm genauso aufs Gemüt geschlagen wie mir, hatte seinen Einfallsreichtum aber nicht geschmälert. Nachdem er sich einmal auf dieses Abenteuer eingelassen hatte, würde er nicht klein beigeben. Aber er war erst zwanzig. Und noch nie ernsthaft in Gefahr gewesen. Er hatte nicht die geringste Chance.
Er hatte auch keine Erfahrung mit Frauen, aber vielleicht brauchten wir auf dem Sektor nichts zu befürchten.
»Muß eine Druidenpriesterin Jungfrau sein, Falco?«
»Ich glaube, zwingend vorgeschrieben ist das nicht.« Nur Rom setzte Keuschheit mit Heiligkeit gleich. Und selbst Rom setzte zehn Vestalinnen gleichzeitig ein, um einen gewissen Spielraum für Irrtümer zu lassen.
»Glauben Sie denn, der Tribun wird …«
»Der Tribun wird über Politik reden.« Die ungewohnte Kombination von einer Konferenz über das Geschick ganzer Völker und der betörendsten Frau, die ihm je begegnet war, als Verhandlungspartner, würde unserem jungen Freund womöglich zu Kopf steigen.
»Die Hexe hat was anderes vor!« Die Rekruten wurden langsam mutiger. »Womöglich weiß der Tribun dann nicht, was er tun soll …«
»Der Tribun versteht sich aufs Improvisieren!«
Ich hoffte inständig, nie seiner Schwester beichten zu müssen, daß eine tolläugige Seherin ihren kleinen Bruder auf einem alten Meldeturm zum Manne gemacht hatte, während ich untätig unten wartete.
Als die Fackeln heruntergebrannt waren und das Fest zu Ende ging, befahl ich unseren Rekruten, sich schlafenzulegen. Später übergab ich Helvetius die Wache und schlich mich vorsichtig zwischen den schnarchenden Brukterern hindurch zurück zum Turm. Ein einzelner Posten lag mit seiner Lanze auf den Eingangsstufen und schlief. Ich hätte seine Waffe nehmen und ihm damit die Kehle durchbohren können. Aber ich tat es nicht. In den Turm hineingekommen wäre ich sowieso nicht, denn jenseits der schweren Tür, im Torhof, war noch ein ganzes Wachkommando postiert.
Ich ging um das Gebäude herum. Der Mond tauchte die Mauern in milchig weißes Licht. Hoch oben im Turmzimmer brannte eine abgedunkelte Lampe. Ich hörte Stimmen. Schwer zu sagen, in welcher Sprache sie sich unterhielten; das Gemurmel war zu leise. Jedenfalls klang es eher nach einer Diskussion als nach Streit. Man hätte meinen können, sie unterhielten sich über ein Konzert oder die Schönheit eines Wandfreskos, statt dem Imperium das Horoskop zu stellen. Einmal sagte der Tribun etwas, was die weise Frau amüsierte; sie antwortete, und dann lachten beide.
Ich wußte nicht, ob ich seufzen oder feixen sollte. Also ging ich zurück zu meinen Männern.
Helvetius klopfte mir auf die Schulter. »Alles in Ordnung?«
»Sie reden.«
»Ha, klingt gefährlich!«
»Richtig gefährlich wird’s erst, wenn sie aufhören, Zenturio.« Und plötzlich platzte ich heraus: »Ich möchte seine Schwester heiraten.«
»Ja, hat er mir schon erzählt.«
»Ach? Ich dachte, er wüßte gar nicht, daß es mir ernst ist.«
» Er fürchtet bloß, Sie wüßten vielleicht nicht, daß seine Schwester wild entschlossen ist, Sie an die Kette zu legen.«
»Oh, sie sagt, was sie denkt. Ich hatte Angst, daß er mich für einen Abenteurer hält, der seine Schwester als Spielzeug benutzt.«
»Nein, er denkt, Sie sind genau der Richtige!« Helvetius legte mir die Hand auf die Schulter. »Jetzt wissen wir doch wenigstens, woran wir sind! Ist schließlich auch was wert, oder?«
»Sicher! Der Mann, den ich mir als Lieblingsonkel meiner Kinder wünsche, wird gerade …«
»… wird wahrscheinlich mit ziemlich weichen Knien und schwiemeligem Blick zu uns zurückkommen! Sie können ihm die Entscheidung nicht abnehmen, Falco. Er ist kein Kind mehr.«
»Nein, er ist zwanzig
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