Eisenhand
Stolz und hämmerndem Schädel im Gras lag und seinen qualvollen Tod in einem Druidenhain vor Augen hatte.
LII
Helvetius machte einen halbherzigen Versuch, mir beim Aufstehen zu helfen. »Das war aber keine Glanzleistung!«
Ich schüttelte ihn ab. »Jeder, der glaubt, seine geübte Zunge hätte größere Chancen als meine, soll gehen und sein Glück im Turm probieren!«
Die bissigen Kommentare verstummten.
Zwei von Veledas Vettern waren dazu abkommandiert worden, uns auf eine Viehweide zu treiben, deren Palisadenzaun aussah, als ob die einzelnen Staketen noch wachsen. Hier verwahrte Veleda offenbar lebende Geschenke bis zum rituellen Schlachtfest. Die Krieger scheuchten uns in die Hürde und verschlossen das Gatter. Aber der Pferch war schon besetzt. Das Individuum, das da in einer Ecke kauerte, sah freilich nicht so aus, als könne es eine Naturgottheit wie die, die Lentullus und ich im Druidenhain gesehen hatten, versöhnlich stimmen.
»Oh, schaut mal alle her! Wir haben Dubnus gefunden!«
Unser lang vermißter Hausierer war übel zugerichtet. Offenbar hatte man ihm im ersten Durchgang eine gründliche Abreibung verpaßt und ihn sich dann ein paar Tage später noch einmal vorgenommen, um eventuelle Lücken zwischen Blutergüssen und blauen Flecken zu schließen. »Wofür war denn das?«
»Dafür, daß ich Ubier bin.«
»Lüg doch nicht, Kerl! Du bist hierher gekommen, um uns für Geld an die Brukterer zu verraten. Deine Informationen haben sie zwar akzeptiert, dir dann aber doch ihre Verachtung bewiesen!«
Er sah uns an, als erwarte er von uns gleich die nächste Tracht Prügel, aber wir erklärten ihm, daß wir prinzipiell niemanden verhauen, dessen Stamm offiziell romanisiert ist. »Nicht mal Schufte, die ein doppeltes Spiel treiben, Dubnus.«
»Nicht mal unzuverlässige Dolmetscher, die sich aus dem Staub machen, wenn man sie gerade dringend braucht.«
»Nicht mal ubische Schweinehunde, die uns in die Sklaverei verkaufen wollen.«
»Nicht einmal dich, Dubnus.«
Er sagte etwas in seiner Sprache, das wir auch ohne Dolmetscher verstanden.
Was dann geschah, kam für alle überraschend. Kaum hatten Veledas klapperdürre Gefolgsleute uns hinter Schloß und Riegel gebracht, da trabten sie auch schon wieder an und sperrten das Gatter auf.
»Mithras! Die Hexe hat sich’s anders überlegt. Jetzt kriegen wir jeder einen hübschen neuen Mantel und sitzen als Ehrengäste an ihrer Festtafel …«
»Sparen Sie sich Ihre Puste für Ihren Haferschleim, Zenturio. Diese Frau ändert ihre Meinung nicht!«
Die Bohnenstangen zerrten uns allesamt ins Freie. Bei Dubnus’ Anblick fiel ihnen ein, was für ein schönes Gefühl es ist, der Stärkere zu sein. Der Hausierer war aber schon zu zermatscht, als daß sich noch eine Runde gelohnt hätte, darum fielen sie über Helvetius und mich her. Als wir sie wütend beiseite schubsten, folgten sie dem allgemeinen Trend und hieben auf den Diener des Zenturio ein. Diesmal mochte Helvetius das aber nicht dulden, sondern fing an, seinen Mann zu verteidigen. Wir machten uns auf Ärger gefaßt – und den gab es auch prompt. Allerdings nicht so, wie wir’s uns vorgestellt hatten.
Zuerst tauchte Veleda wieder aus ihrem Turm auf.
Dann erscholl ein Trompetensignal. »Jupiter und Olympus – das ist einer von uns !«
Es war ein kurzer, getragener Sammelruf, geblasen auf einem klaren, wenn auch nicht seine ganze Strahlkraft entfaltenden Instrument. Die melancholisch-gedämpfte Koda klang zwar römisch, aber eben doch nicht ganz. Das Signal kam vom Waldrand, irgendwo ganz in der Nähe. Geblasen wurde es offenbar auf einem bronzenen Bügelhorn, wie es die Lagerwachen benutzen, und war der Ruf zur zweiten Nachtwache. Seltsamerweise kam er heute vier Stunden zu früh.
Im nächsten Moment kam Tigris auf den Platz geschossen, rannte schnurstracks auf Veleda zu und legte sich, die Schnauze zwischen den Pfoten, zu ihren Füßen nieder.
Ich hatte kaum Zeit, mir zusammenzureimen, daß die Seherin den seltsamen Boten wohl von ihrer luftigen Turmhöhe aus entdeckt hatte, als auch schon der nächste Überraschungsgast die Szene betrat. Es war Helenas jüngerer Bruder. Ich hatte schon seit längerem vermutet, daß in ihm allerhand verborgene Talente schlummerten, aber improvisierte Bühnenauftritte hätte ich ihm doch nicht zugetraut.
Mit fröhlichem Hufgetrappel ritt er auf den Platz, Orosius als folgsamer Knappe hinterdrein. Das Bügelhorn hatten sie beide nicht dabei, ein
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