Eisenhand
verstehe ich nicht, Quintus. Wenn Veleda sich doch bereits entschieden hatte – warum hat sie dich dann erst bei Morgengrauen vor die Tür gesetzt?«
Er zögerte fast unmerklich. »Sie wollte sich ausführlich und in Ruhe unterhalten – genau, wie du gesagt hast. Ich übrigens auch«, setzte er noch hinzu.
Ich sagte lachend, daß er ein Meister darin sei, Grobheiten liebenswürdig zu verpacken. Der Wink mit dem Zaunpfahl hatte funktioniert.
Ich schlurfte wieder nach vorn, um Ascanius abzulösen. Als der im Namen aller fragte: »Na? Hat er oder hat er nicht?« , da antwortete ich im Brustton der Überzeugung: »Nein.«
Das Amulett des Waffenmeisters hat Justinus mir übrigens nie zurückgegeben. Ich hätte nicht gedacht, daß er es behalten würde. Aber manchmal (besonders, wenn er diesen wehmütigen Gesichtsausdruck hatte, mit dem er aufs Schiff gekommen war), kam es mir fast so vor, als hätte er es irgendeinem Mädchen als Liebespfand geschenkt.
Fortuna hatte ihn beschützt. Er war nicht verliebt. Das hatte er mir selbst gesagt. Quintus Camillus Justinus, Erster Tribun der Ersten Adiutrix, hatte sich als Diplomat bewährt und um das Imperium verdient gemacht. Zur Diplomatie gehört auch ein gewisses Maß an Schwindelei, aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß Helenas Bruder mich hinters Licht führen würde.
LVI
Bald hatten wir keine Zeit mehr für Spekulationen. Das Flaggschiff des Petilius Cerialis war genauso sprunghaft und unzuverlässig wie der General selbst. Es war nicht nur übel vernachlässigt, offenbar hatte auch das Ruder einen bösen Schlag abbekommen, als die Rebellen die Liburne entführten, jedenfalls widersetzte sie sich allen Steuerungsversuchen wie ein bockiges Kamel und ließ sich auch weder von Wind oder Strömung beeinflussen. Obendrein hatte das Boot deutlich Schlagseite, ein Problem, das sich im Laufe des Tages verschlimmerte. Wir hatten uns ein Schiff mit Charakter ausgesucht – leider einem von der randalierenden Sorte, wie mein Bruder Festus ihn mit heimzubringen pflegte, wenn er nach einer durchzechten Nacht aus einer entlegenen Kneipe kam und sich an nichts mehr erinnern konnte. Den Segler flußabwärts zu dirigieren war, als ritte man ein Pferd, das partout rückwärts gehen will. Außerdem war der Kiel so leck, daß unser Boot bald mit der Grazie eines vollgesogenen Baumstamms im Wasser lag.
Das größte Problem war freilich die kärgliche Besatzung. Denn trotz aller Mängel wäre die Liburne unter den richtigen Händen wunderbar gesegelt. Aber sie verlangte nun einmal zwei Dutzend kräftige Rudergänger, schwindelfreie Segelreffer in der Takelage, einen Kapitän samt Stellvertreter und ein Rudel Matrosen – nicht zu vergessen Seine Hochwohlgeboren, den Legaten, der sich ohne Zweifel in einer besonders haarigen Kehre auch einmal selbst auf die Ruderbank gesetzt hätte. Wir dagegen waren mit fünfundzwanzig Mann einfach zu wenige, und dabei zählte ich noch Dubnus mit, der sich als völlig untauglich erwies, und den Diener des Zenturio, der keinen Zweifel daran ließ, daß mit ihm nicht zu rechnen war (greinend brachte er wieder das Versetzungsgesuch nach Moesia ins Spiel). Dann, als die Tage verstrichen und der Fluß breiter und tiefer wurde, gingen unsere Vorräte zur Neige. Ausgerechnet jetzt, wo wir unsere Kräfte so dringend brauchten!
Der Zusammenfluß von Lupia und Rhein erwischte uns unvorbereitet. Das Schiff hatte auf einmal so zügig Fahrt gemacht, daß wir hastig die Segel einholten und jeder verfügbare Mann zum Wasserschöpfen in den Kielraum beordert war. Als Probus Meldung machte, hörte ihn daher zuerst keiner. Darauf schrie er aus Leibeskräften, und alles stürmte an Deck. Zuerst jubelten die Rekruten sogar, schließlich erkannten wir unsere mißliche Lage. Die Unterströmung war stärker geworden, und das Flaggschiff, das nach Steuerbord hin weiter heftig Schlagseite hatte, lag nun gefährlich flach im Wasser und war dadurch fast manövrierunfähig geworden. Gegen Turbulenzen hatten wir nicht die geringste Chance.
Ich brüllte, wir sollten Anker werfen, aber der Versuch mißglückte.
Gerade, als wir uns schon fast in Sicherheit wähnten, wandte das Schicksal sich gegen uns. Der bleierne Himmel ließ alles nur noch bedrohlicher erscheinen. Ein steifer Nordwind wehte salzige Meeresluft herüber und erinnerte uns unbarmherzig ans Bataverland, dem wir doch so schnell wie möglich den Rücken kehren wollten. Immer noch hofften wir, die Liburne in die
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