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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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vielleicht die ganze Spitze herausziehen. An innere Blutungen dachte ich vorsichtshalber nicht. Man muß einfach tun, was man kann, und ansonsten auf die Götter vertrauen.
    Unser Arzneikasten war eines der wenigen Utensilien, die Justinus vor den Brukterern hatte retten können. Er enthielt hauptsächlich Salben und Verbandszeug, aber ich fand auch ein Paar feine Bronzehaken, mit denen ich vielleicht die Umgebung der Wunde weit genug zurückschieben konnte, um die Speerspitze herauszuziehen. Sogar ein Gerät zur Entfernung von Wurfgeschossen entdeckte ich, aber um das zu benutzen, brauchte man Geschick und Fingerspitzengefühl – genau das, woran es mir mangelte. Ich beschloß, mein Glück zunächst ohne diesen Spezialapparat zu versuchen.
    Im Schilf zu meiner Linken bewegte sich etwas, und ich hörte ein Glucksen oder vielmehr Platschen, als wäre ein Frosch ins Wasser gesprungen. Es war so leise, daß ich kaum darauf achtgab, als ich mich jetzt über Helvetius beugte. Im Augenblick hatte ich ja auch wahrhaftig andere Sorgen, als die Fauna der Moorlandschaft zu studieren.
    »Auerochs …« Der tapfere alte Soldat sprach im Fieber.
    »Pscht! Nicht reden, Helvetius.«
    Dann ging ein Rascheln durch die Weiden, gefolgt von einem langgezogenen Schrei, und plötzlich sprang, wie aus dem Boden gewachsen, ein Trupp Männer auf die Landzunge. Sie hatten die Speere schon zum Wurf geschwungen, hielten sie aber dankenswerterweise fest, als sie uns erblickten.

LVII
    Es war eine Jagdpartie, angeführt von einem hohen Tier in unaufdringlich elegantem Wollkostüm. Er ritt ein spanisches Vollblut, hatte etliche unterwürfige Gefährten sowie zwei Träger für die Reservespeere dabei und war ein klassischer Choleriker. Er sah wild um sich, entdeckte mich und wütete in glänzendem Latein los: »Ja, Castor und Pollux – was haben denn Menschen hier verloren?«
    Ich stand auf. »Wir haben sicher genausoviel Recht, hier zu sein, wie Sie.«
    Meine lateinische Antwort verschlug ihm erstmal die Sprache.
    Er schwang sich vom Pferd, ließ achtlos den Zügel fallen und kam näher – aber nicht zu nahe. »Dachte, ihr wärt Tenkterer. Wir haben nämlich ein paar von denen hier rumschleichen hören.« Das hatte mir gerade noch gefehlt. »Ich habe meine Jagdbeute verloren. Einen wirklich kolossalen …«
    Das Haar, das er sich jetzt raufte, war schwarz und so geschnitten, daß die hübsche Kopfform darunter zur Geltung kam; die Zähne, mit denen er knirschte, waren ebenmäßig, gepflegt und strahlend weiß. Sein Gürtel war mit Silber beschlagen; die Stiefel waren Maßarbeit mit Quasten und Bronzekappen; als Siegelring trug er einen Smaragd. Sein Wutanfall war von der Güte, die man jeden Tag auf dem Forum Romanum bestaunen kann, wenn ein unachtsamer Eselstreiber einen Mann von Rang vor der Basilica Julia anrempelt.
    Ich war sehr müde. Mir tat alles weh. Mein Herz war selten so schwer gewesen. »Ihre Beute liegt hier«, sagte ich ruhig. »Ist aber noch nicht ganz tot.«
    Ich trat beiseite, damit der Mann mit der trommelfellschädigenden Senatorenstimme unseren Zenturio sehen konnte.
    »Das ist Appius Helvetius Rufus, Zenturio der Ersten Adiutrix. Aber machen Sie sich keine Gedanken«, sagte ich mit eisiger Höflichkeit. »Helvetius ist Realist. Er hat immer gewußt, daß der Feind weniger gefährlich ist als die Stümperei der Stabsoffiziere …«
    »Ich bin römischer Offizier«, unterbrach der Anführer der Jagdgesellschaft und hob arrogant die Brauen.
    »Ich weiß, wer Sie sind.« Etwas an dem trotzigen Blick, mit ich ihm zu begegnen wagte, hatte ihn anscheinend gewarnt. »Und ich weiß eine ganze Menge über Sie. Ihre Finanzen jonglieren Sie durch ein kompliziertes System von Schulden; Ihr Familienleben ist aus den Fugen. Ihre Gattin ist auf dem Sprung, und Ihre Geliebte hat was Besseres verdient. Aber beide Damen wären sehr böse, wenn sie erführen, daß Sie ein gewisses Haus in Colonia frequentieren …«
    Erstaunt fragte er: »Wollen Sie mir drohen?«
    »Schon möglich.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich heiße Didius Falco.«
    »Der Name sagt mir nichts!« bellte er.
    »Sollte er aber! Wären Sie erreichbar gewesen, hätte ich mich Ihnen schon vor sechs Wochen vorgestellt. Dann hätten Sie sich auch einen Schreibtisch voll unbeantworteter Depeschen erspart, einschließlich Vespasians kritischem Brief über die Zukunft Ihrer Legion.« Er wollte etwas sagen, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Der Kaiser macht sich außerdem

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