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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Mitte des Stroms steuern zu können. Ohne geübte Ruderknechte blieb uns gar nichts anderes übrig, als flußabwärts zu fahren. Auf jeden Fall mußte wir den Rhein kreuzen und ans römische Ufer gelangen, wo wir dann gemächlich auf Vetera zuhalten konnten. Der Strömung hatten wir nichts entgegenzusetzen. Doch wenn wir wohlbehalten in die Fahrrinne des Rheins gelangten, würden wir vielleicht einen Flottensegler finden, der uns ins Schlepp – oder vielleicht sogar an Bord nahm. Für eine rasche Heimreise hätten wir leichten Herzens auf die Ehre verzichtet, die Liburne des Petilius Cerialis zurückzubringen.
    Das Glück war uns wohl schon zu lange hold gewesen – jedenfalls wandte uns Fortuna jetzt ihren betörenden Rücken zu. Getrieben von der reißenden Strömung und durch die geflutete Bilge übermäßig schwer, fing das Flaggschiff an, langsam zu kreisen. Selbst mir ahnungsloser Landratte wurde klar, daß der Kahn drauf und dran war, abzusaufen. Eine entsetzliche Aussicht! Jetzt, im November, führte der Fluß zwar Niedrigwasser, hatte aber immer noch respektable Wellen, und wir waren schließlich keine schwimmfüßigen Wasserhühner.
    Helvetius rief: »Wir müssen ans Ufer, ehe der Rhein sich das Schiff holt!«
    Er hatte recht. Wir waren auf der falschen Seite des Flusses – und eigentlich immer noch auf dem falschen Fluß –, aber wenn die Liburne mitten auf dem Wasser sank, würden wir alles verlieren, und Menschen würden ertrinken. Die Rekruten waren am Meer aufgewachsen, gewiß, aber bisher konnten sich nur die Bataver rühmen, den Rhein durchschwommen zu haben. Ich erwähnte es nicht, aber zumindest ein Mitglied unserer Truppe (ich) hatte überhaupt nie schwimmen gelernt.
    Wir hatten insofern Glück im Unglück, als die widerspenstige Liburne, die uns partout nicht brav in Sicherheit hatte schaffen wollen, sehr damit einverstanden war, an einem feindlichen Ufer auf Grund zu laufen.
    Wir brachten sie also an Land, das heißt, sie torkelte in eigener Regie auf den schlammigsten Uferstreifen zu, den sie finden konnte, und rammte ihn mit einem so ohrenbetäubenden Krachen, daß fortan nur noch der Schrotthändler Freude an ihr finden würde. Auch wenn das Schiff gestrandet war, mußte die arme Besatzung noch eine weite Strecke durch sumpfiges Brachland, Schlick und Morast waten, bis sie auf einen Untergrund stieß, den menschliche Füße als Land empfinden. Die Liburne hatte sich für ihre Abschiedsvorstellung das Ufer der Tenkterer ausgesucht. Wenigstens würden die (das hofften wir jedenfalls) noch nicht wissen, daß wir unter Bedingungen aus Veledas Turmfried entwischt waren, die ihre brukterischen Kollegen wahrscheinlich fragwürdig nennen würden.
    Die Gegend um den Zusammenfluß der beiden bedeutenden Wasserläufe wirkte düster und wenig einladend. Da der Boden für Ackerbau zu sumpfig war, lag das Land brach und öde. Ein kalter Wind pfiff über das ungeschützte, flache Moor. Als plötzlich ein Schwarm Wildgänse mit unheimlich sirrendem Flügelschlag über uns wegzog, erschraken wir mehr, als dem Anlaß angemessen war.
    Der Rhein war immerhin in Sichtweite, und so schickte ich einen kleinen Trupp los, der in Ufernähe nach einem römischen Schiff Ausschau halten sollte. Natürlich war gerade heute weit und breit keines in Sicht. Unsere gelangweilte Suchmannschaft kam vorzeitig zurück und beschwerte sich, der Boden sei zu sumpfig, um hindurchzuwaten; das war zwar befehlswidrig, aber wir hatten nicht mehr die Kraft, ihnen die Leviten zu lesen. Helvetius wäre freilich kein Zenturio gewesen, wenn er nicht wenigstens einen müden Versuch gemacht hätte, uns auf Trab zu halten.
    »Na, Falco? Wie geht’s weiter?«
    »Ich werde meine Stiefel trocknen und mich dann mindestens drei Stunden auf einen Erdbuckel setzen, um gewissen anderen Leuten die Schuld an unserem Mißgeschick zu geben … Hat jemand einen besseren Vorschlag?«
    »Tribun?«
    »Ich bin zu hungrig zum Denken.«
    Hungrig waren wir alle. Und so schlug Helvetius vor, wir sollten, da wir hier nun mal festsäßen, unsere Speere auspacken und auf Jagd gehen; Sumpfvögel gab es ja in Hülle und Fülle. Mir fiel ein, was er einmal über dumme Offiziere gesagt hatte, die ausgerechnet im gefährlichen Grenzland auf die Bärenjagd wollten, aber den Rekruten knurrte so laut der Magen, daß ich meinen Mund hielt. Helvetius zog mit seiner kleinen Jagdpartie ab, und ich schickte Lentullus mit einem Korb auf Krebsfang, damit er uns nicht im Weg

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