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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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da eine komplizierte Untersuchung auf mich zu!« Schon hatte er sich unmerklich von dem Kerl mit dem gespaltenen Kinn distanziert. Gaunereien fallen leider oft auf den Initiator zurück.
    »Nun wüßte ich gern, was Sie eigentlich hier zu suchen haben!« herrschte er mich an; mit der kühlen Stimme eines Mannes, der glaubt, mit seinem kultivierten Patrizierstammbaum im Rücken könne er sich alles erlauben. »Ich für meinen Teil führe hier einen Aufklärungseinsatz durch.«
    Das war auch eine Möglichkeit, seine aus Steuergeldern finanzierte Vergnügungsreise zu beschreiben. »Ach ja?« schnarrte ich ärgerlich. »Dann haben Sie Civilis gesehen, wie? Batavodurum? Die Insel? Waren Sie längere Zeit in Vetera?«
    »Ich wollte mich mehr im Hintergrund halten, einen allgemeinen Eindruck von der Stimmung im Lande bekommen …« Noch ein passionierter Tourist! Helvetius zuckte unruhig.
    Auch mir riß die Geduld. »Aha! Sie wollten also die Trümmer sehen? Das Unglück riechen? Vielleicht einen Stein von den zerstörten Wällen als Souvenir mit heimnehmen? Und dann noch ein paar Tage echt auf Jagd gehen – aber wehe dem armen römischen Veteranen, der einem Ihrer flinken Speere in die Flugbahn stolpert … Übrigens wundert es mich, daß Sie nicht übergesetzt haben, um mit der Seherin zu verhandeln.«
    »Veleda?« Gracilis schien ehrlich schockiert. »Vespasian würde nicht wollen, daß wir uns mit dieser Hexe einlassen.«
    Ich wollte ihm seine Illusion nicht rauben. »Haben Sie wenigstens Civilis gefunden?«
    »Nein«, sagte er, »leider nicht.« Ach was, er war Senator. Wahrscheinlich würde man ihm schon für den bloßen Versuch einen Lorbeerkranz umhängen.
    Ich durfte nicht hoffen, daß Vespasian diesen Widerling degradieren würde, es sei denn, ich konnte ihm einen weit schlimmeren Skandal anhängen als Korruption und eine vergnügliche Jagd auf Barbarenterritorium.
    »Sie befinden sich unerlaubt auf Sperrgebiet, Legat.« Und zwar in jeder Beziehung. Jetzt hätte ich das Recht in die eigenen Hände nehmen können. Aber zu meinen Füßen wurde Helvetius von Minute zu Minute schwächer. »Ich habe einen erschöpften, halb verhungerten Rekrutenzug und diesen schwerverwundeten Zenturio zu versorgen. Wir befinden uns auf einer streng geheimen kaiserlichen Mission und sitzen hier ohne Transportmittel, Waffen und Proviant fest. Darf ich vorschlagen, daß Sie Ihren Ruf wiederherstellen, indem Sie uns zurück zum Stützpunkt bringen? Der Kaiser würde es Ihnen danken!«
    Ich hatte sie falsch eingeschätzt. Der Gallier flüsterte dem Legaten etwas zu, und der wog zynisch lächelnd unsere Hilflosigkeit gegen die Beweismittel ab, mit denen ich seinen Namen hätte beflecken können.
    »Eher will ich euch im Hades sehen!« sagte Gracilis.
     
    Aber auch er hatte einen Fehler begangen. Und seiner war schlimmer als meiner.
    Plötzlich ging alles blitzschnell. Helvetius stöhnte so herzerweichend, daß ich neben ihm in die Hocke ging. Der Gallier hob seinen Speer. Laute Stimmen stoppten ihn. Vom anderen Ende der Landzunge her bahnte sich Orosius einen Weg durchs Gestrüpp, gefolgt von Lentullus, der noch seinen Korb für die Krebse trug, und dem Diener des Zenturio. Ich faßte Helvetius am Handgelenk und machte ihm stumm klar, er sollte sich nur ja stillhalten und alles mir überlassen.
    Helvetius bäumte sich in schier übermächtiger Anstrengung auf.
    Er schleuderte mich zur Seite. Mit voller Absicht. All seine Warnungen hatten ja nichts genützt.
    Als ich, alle viere von mir gestreckt, auf dem Rücken strampelte, blieb mir der Empörungsschrei in der Kehle stecken. Keine fünf Schritte von mir entfernt stand schnaubend und stampfend der größte Bulle, den ich je gesehen hatte, und fixierte den Legaten.

LIX
    Ich rappelte mich hoch, wedelte mit den Armen und gab ein paar besänftigende Geräusche von mir. Der Auerochse warf verächtlich das mächtige Haupt zurück.
    Kein Kuhstall wäre groß genug gewesen für dieses Ungetüm. Der Ur hatte ein rötlich-braunes Fell mit schwarzen Sprenkeln am Schwanz. Sein Rücken war breit und flach, dem Brustkasten hätte keine Steinmauer standgehalten, und das zottige, fuchsrote Fell würde manch armen Mann wärmen. Die Beine waren kurz und stämmig, die langen, nach vorn geschwungenen Hörner so kräftig, daß ein Richter mit einem Faible für Foltermethoden etwa hätte auf grausame Ideen kommen können. Der Atem des Untiers rasselte wie der eines Zyklopen mit Lungenentzündung im

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