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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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allerletzten Stadium.
    Der Auerochse läßt sich nicht zähmen, er stammt noch aus einer Zeit, lange bevor der Mensch anfing, Haustiere zu züchten. Das wuchtige Exemplar, das wir vor uns hatten, wirkte trotz seines massigen Körpers behende und wendig. Seine wild funkelnden Augen verrieten, daß die Speere, die in seinen Flanken steckten, ihn blind vor Zorn gemacht hatten und er nun, da er seine Peiniger endlich gestellt hatte, entschlossen war, sich unerbittlich an allem zu rächen, was sich bewegte. Wie um das zu bekräftigen, stieß er ein langgezogenes Gebrüll hervor, das lautstark von urzeitlichem Zorn und Schmerz zeugte. Fast grüblerisch starrte der Ur jetzt den Legaten an, wie um abzuschätzen, wo er am verwundbarsten sei. Dann preschte der Bulle los.
    Wir standen da wie die Salzsäulen.
     
    Wenn ich an das denke, was mit Florius Gracilis geschah, graust es mich noch heute. Das Schlimmste war: Er sah es kommen! Er gurgelte leise, dann rannte er um sein Leben. Aber das mächtige Rind setzte ihm so geschwind nach, daß er nicht die geringste Chance hatte. Er wurde aufgespießt, durch die Luft geworfen und schließlich zu Tode getrampelt. Ein paar seiner Begleiter versuchten, den Ur mit ihren Speeren aufzuhalten, aber als Gracilis erst einmal am Boden lag, stoben alle in panischer Furcht davon.
    Ich und mein Häuflein, wir blieben.
    Dem Auerochsen schien mein Gesicht zu gefallen. Ich sah ihm an, daß ich als nächster dran war.
    Ich mußte Helvetius beschützen. Langsam, ganz langsam begann ich, nach links auszuweichen. Es war die einzig mögliche Richtung, und ziemlich bald ging es auch da nicht weiter, weil ich am Bachbett angelangt war. Die Uferböschung war erstaunlich steil, und außerdem drohte dicht hinter mir ein grasüberwucherter Überhang. Das letzte, was ich wollte, war ein Sturz in dieses Gewässer, wo ich hilflos herumpaddeln würde, während das mächtige Vieh mich angriff.
    Der Ur atmete rasselnd Dampfwolken aus, während er dem blutüberströmten Leichnam des Legaten mit einem seiner wuchtigen Hörner einen letzten verächtlichen Stoß versetzte. Er wartete, bis ich stehenblieb, dann legte er los.
    Das Ende war schnell, dreckig und alles andere als heldenhaft.
    Hinter dem Auerochsen erwachten plötzlich meine drei verblüfften Kameraden zum Leben. Orosius bückte sich mit lautem Kriegsgeschrei nach einem herabgefallenen Speer. Helvetius’ Diener rannte auf seinen Herrn zu. Lentullus benutzte tapfer den Krebskorb als Wurfgeschoß und traf den Auerochsen auf die Nüstern. Irritiert warf er den Kopf zurück, jedoch ohne seinen mörderischen Ansturm zu verlangsamen. Der Korb war wie eine lästige Fliege, die ihn natürlich nicht aufhalten konnte – nichts war dazu imstande. Aber der Moment genügte mir für einen Sprung zur Seite und fort vom Bachufer. Ich warf mich im letzten Moment mit angewinkelten Knien in die entgegengesetzte Richtung; das Ungetüm schoß so haarscharf vorbei, daß es mir noch den Arm ritzte.
    Der Auerochse stieß mit seinem Angriff ins Leere. Sein Kopf war gesenkt, und wenn ich geflohen wäre, hätte er mich nach zwei, drei Sätzen aufgespießt. Und auf einmal wurde ihm Einhalt geboten. Lentullus! Er war aus dem schützenden Dickicht gestürzt und hatte den Ur am Schwanz gepackt. Sein Gesicht wurde vor Anstrengung zur Grimasse, aber er ließ nicht los. Zornig ließ das Tier von mir ab, und mit kraftvollem Schütteln entledigte er sich des lästigen Angreifers. Wie von einem Katapult geschleudert, sauste unser Legionstrottel in hohem Bogen in den Bach. Aber da hatte sich bereits ein zweiter Trottel gefunden. M. Didius Falco, der einmal ein kretisches Fresko gesehen hatte, erkor sich ausgerechnet dieses sumpfige germanische Ufer zur Arena, um die vergessene Kunst des Stiertanzes wiederzubeleben. Während der Auerochse noch indigniert hinter Lentullus herbrüllte, nahm ich ordentlich Anlauf und sprang dem Tier auf den Rücken.
    Sein Fell war so derb und grob wie Schiffstaue, und es roch nach Wildnis. Sein kotverkrusteter Schwanz peitschte mein Rückgrat. Ich hatte nur eine einzige Waffe, und die steckte wie gewöhnlich im Stiefelschaft: mein Messer. Irgendwie konnte ich es herausangeln, während ich mich mit der anderen Hand krampfhaft an einem Horn festklammerte. Zum Überlegen blieb keine Zeit: Der Tod griff mit beiden Händen nach einem von uns! Ich preßte beide Schenkel gegen den mächtigen Leib, zerrte mit aller Kraft an dem riesigen Horn, zog den Kopf des Ungetüms

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