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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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hoch, beugte mich über ein zuckendes Ohr und ein zornblitzendes Auge und stieß dem Auerochsen die Klinge bis zum Heft in den gestreckten Hals.
    Der Schlußakt war weder kurz noch sauber. Den Ur zu erlegen kostete mehr Zeit und vor allem sehr viel mehr Kraft, als man je für möglich halten würde, wenn man bislang nur in blütenweißer Toga dabeigestanden hatte, während die distinguierten Jupiterpriester auf dem Kapitol ein Stieropfer zelebrierten.

LX
    »Mithras!« Erst dachte ich, der ehrfürchtige Schrei käme von Helvetius, aber es mußte wohl sein Diener gewesen sein.
    Mein linker Arm, mit dem ich mich festgehalten hatte, war so verkrampft, daß ich ihn kaum losbekam. Der Gestank des Urs schien durch meine Kleider bis in meine Poren einzudringen. Erschöpft und an allen Gliedern zitternd, rutschte ich zu Boden. Orosius rannte herbei und zerrte mich aus der Gefahrenzone. Lentullus kam aus dem Bach gewankt, sackte zusammen und fiel in Ohnmacht. »Ist sicher der Schock«, murmelte Orosius. »So plötzlich was hinzukriegen …«
    Ich ekelte mich – vor mir selbst, vor dem Tier, dessen blinde Wut mich dazu gezwungen hatte, und vor dem warmen Blut, das an mir klebte. Ich stützte die Stirn in die Hand und wischte sie gleich angewidert ab, als ich auch dort Blut spürte. Mühsam humpelte ich zu Helvetius. Sein Diener Dama sah zu mir auf.
    »Ich wußte ja, ich hätte nach Moesia gehen sollen …«, schimpfte er verbittert. Dann brach er schluchzend zusammen.
    Helvetius war tot.
     
    Kaum hatte ich meine eigenen Tränen heruntergeschluckt, da kamen ein paar Mitglieder der Jagdpartie aus ihren Schlupflöchern, angeführt von dem Gallier mit der höhnischen Visage. Ohne Zweifel wollten sie versuchen, ihre Haut zu retten.
    Es war eine kurze Konfrontation. Ich kniete noch neben Helvetius und hielt seine Hand. »Nie wieder«, sagte ich zu dem Gallier, »nie wieder will ich Ihr Gesicht im freien oder im römischen Germanien sehen. Aus schnöder Gewinnsucht haben Sie getötet – das ist einfach ekelhaft.«
    »Und die Beweise?« Feixend deutete er auf den toten Zenturio.
    Plötzlich meldete sich Dama. Als könne er sich nicht überwinden, den Mörder seines Herrn anzusprechen, wandte er sich an mich. »Helvetius Rufus war ein verschwiegener Mann. Aber wenn ich ihm in die Rüstung half, hat er oft mit mir geredet. Er hat mir erzählt, was er in Gallien mit ansehen mußte.«
    »Würdest du das auch vor Gericht aussagen?« Dama nickte.
    Der Gallier hob den Speer. Seine Absicht war nicht mißzuverstehen, aber wir waren jetzt nicht mehr wehrlos. Orosius und Lentullus wogen beide wurfbereit den Speer in der Hand.
    Ich stand auf. Blutbeschmiert, wie ich war, muß ich einen furchtbaren Anblick geboten haben. »Ein falsches Wort, eine unpassende Bewegung, und ich lasse Sie mit Wonne nachempfinden, wie der Auerochse sich fühlt, jetzt, wo er tot ist!«
    Die Jagdgehilfen wichen langsam zurück. Ich scheuchte sie mit zorniger Geste weg. Mitsamt dem Gallier aus Lugdunum entfernten sie sich aus unserem Gesichtsfeld. Ich weiß nicht, was weiter mit ihnen geschah, und es interessiert mich auch nicht. Aber sie waren als Kelten in Germania Libera weit weniger bedroht als wir.
    An diesem Abend gab es im Lager Auerochsensteak. Aber keiner schien so recht Appetit zu haben. Wir stellten doppelte Wachen auf und schliefen trotzdem schlecht. Schon sehr früh am nächsten Morgen räumten wir das Lager und zogen Richtung Süden, in der Hoffnung, irgendwo am Fluß auf das Schiff des toten Legaten zu stoßen.
    Wir wollten nach Hause. Wir führten zwei Leichen mit, und mehr als einer war darüber untröstlich. Bald sollten es freilich alle sein.
    Denn als wir so traurig vor uns hinmarschierten, kamen wir unversehens in ein Waldgebiet. Es dauerte nicht lange, und wir merkten, daß wir nicht die einzigen Wanderer waren. Die anderen waren in der fünffachen Überzahl, und sie hatten uns als erste entdeckt. Es war eine berittene Abteilung der Erzfeinde Roms, der Tenkterer.

LXI
    Ehe wir recht wußten, wie uns geschah, waren wir auch schon umzingelt. Aber sie griffen nicht sofort an. Vielleicht waren sie genauso überrascht und hatten nicht damit gerechnet, in ihrem Wald auf Fremde zu treffen.
    Wir stellten die Rekruten im Viereck auf – sie machten das sehr gut, wenn man bedenkt, daß sie die Übung bisher nur aus der Theorie kannten. Aber schließlich hatte Helvetius ihnen das beigebracht. Als Formation war das Ergebnis passabel, nur war das Quadrat

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