Eisenhand
adliger Trottel, der seine Zeit bei der Legion runterriß, bis ein Militärkommando ihn mit Dreißig im cursus publicus auf der Karriereleiter den entscheidenden Schritt voranbringen würde. Daß man ihn zunächst in eine Grenzregion schickte, war unvermeidlich. Daß er ausgerechnet eine Legion in Germanien bekam, war dagegen einfach Pech.
»Bestimmt ist Seine Hochwohlgeboren den Anforderungen seines Postens voll und ganz gewachsen«, sagte ich, aber mein Ton verriet dem Kaiser, daß ich, während ich die Legion inspizierte, auch einen kritischen Blick auf Florius Gracilis werfen würde. »Das wird wohl wieder mal eine meiner komplexen Missionen, Cäsar.«
»Das ist doch die einfachste Sache von der Welt!« behauptete der Kaiser. »Ach, und wenn Sie schon mal dort sind«, setzte er ohne jede Logik hinzu, »dann können Sie sich auch gleich noch um ein paar Probleme kümmern, die Petilius Cerialis leider nicht mehr hat lösen können.«
Ich holte tief Luft. Jetzt kamen wir zum Kern der Sache! Die Loyalität der Vierzehnten konnte schließlich jeder kompetente Zenturio vor Ort einschätzen. M. Didius Falco sollte aufs Geradewohl ein paar Phantome jagen.
»Ach?« meinte ich nur.
Vespasian übersah geflissentlich meine saure Miene. »Ihre schriftlichen Befehle werden alles weitere erläutern.«
Der Kaiser drückte sich selten vor einer Aussprache, darum wußte ich, als er jetzt so nonchalant vor den Details kniff, daß die »ungelösten Probleme«, die ich da von Petilius Cerialis erben sollte, wirklich zum Himmel stinken mußten. Vespasian baute offenbar darauf, daß ich meine Instruktionen erst unterwegs lesen würde – zu spät, um nein zu sagen.
Er sprach davon wie von einer Lappalie. Und doch war diese vermeintliche Nebensache, die mir da nachgeworfen wurde wie ein vergessenes Gastgeschenk, der eigentliche Grund dafür, daß er mich nach Germanien schickte.
IX
Es war mir unangenehm, mit einem Gespenst wie Canidius in der Öffentlichkeit aufzutauchen. Er sah aus wie einer, der sich auf dem Weg ins Badehaus verlaufen hat und drei Wochen später immer noch zu schüchtern ist, nach dem richtigen Weg zu fragen. Aber wo würde ich so viele Informationen auf einmal finden wie in seinem vollgestopften Schädel?
Mich immer schön auf der Windseite haltend, lotste ich den bleichen Gesellen zu einer Weinschenke. Vorsorglich suchte ich eine aus, in der ich nur selten verkehrte, vergaß dabei freilich, daß ich wegen ihrer unverschämten Preise nicht zu den Stammgästen zählte. Ich verfrachtete ihn auf eine Bank neben eine Handvoll Würfelspieler und versuchte, ihn mit dem Feuer eines teuren latinischen Roten aufzutauen.
»Hören Sie, Canidius, das autorisierte Gesülze über die Vierzehnte haben Sie ja schon runtergebetet – nun rücken Sie mal mit der Wahrheit raus!«
Der Archivar machte ein betretenes Gesicht.
Schließlich war er nur für die aufpolierte Version des Staatsgeschehens zuständig.
Aber mit einem Becher intus würde er mir bald auch all die schlüpfrigen Geschichten erzählen, die nie in den Büchern stehen.
Sein Blick wanderte zur Decke, durch die, vom Schlafzimmer über uns, die kommerziellen Lustseufzer der Kellnerinnen drangen. Canidius war bestimmt schon vierzig, benahm sich aber wie ein Jüngling, den die Mutter nie zuvor vom Gängelband gelassen hat. »Ich kümmere mich nicht um Politik.«
»Denken Sie etwa, ich?« gab ich grämlich zurück.
Ich kaute am Becherrand herum und überdachte meine vertrackte Lage. Da wurde ich zu einem Zeitpunkt, an dem die Aussichten für die zivilisierte Welt besonders düster waren, in eine Provinz am rauhen Rand des Reiches geschickt. Auf eine Mission, die so aussichtslos war wie der Versuch, einem wilden Schaf die Kletten aus dem Fell zu klauben. Ohne eine Freundin, die mich hätte trösten können. Mit der Gewißheit, daß auf irgendeiner Zwischenstation ein Killer auf der Lauer lag, der, von Titus Cäsar beauftragt, meiner Reise ein vorzeitiges Ende bereiten sollte. Und fast ebenso sicher war, daß die Vierzehnte Gemina mich, sollte ich Moguntiacum wider Erwarten doch erreichen, als Grundstein für eine Befestigung nutzen und ihren nächsten Wall über meiner Leiche errichten würde.
Ich machte noch einen Vorstoß bei Canidius. »Gibt es sonst nichts, was ich über Neros Lieblingslegion wissen sollte?« Er schüttelte den Kopf. »Kein Skandal, kein Klatsch?« Pech gehabt. »Canidius, haben Sie eine Ahnung, welche Spezialaufgaben der Kaiser mir in
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