Eisenhand
anderes zu tun, als auf Türschwellen rumzulungern, während die Herrschaften ihre Post erledigen.«
Hier stimmte etwas nicht. Ich mußte herausfinden, was. »Du scheinst ein sehr rastloser Bote. Wo fehlt’s denn? Sind deine Hühneraugen schlimmer als sonst?«
»Ich bin Barbier«, sagte er.
»Und dabei solltest du auch bleiben, Xanthus. Aus Bartstoppeln kann ein Bursche mit geschickten Händen ein Vermögen machen.« Von den Mieslingen, die ihren armen Opfern mit geschickter Hand und scharfer Waffe an die Kehle gingen, ganz zu schweigen. Ich musterte ihn verstohlen; wenn er ein Messer bei sich trug, dann war es jedenfalls gut versteckt. »Bei wem bist du eigentlich Friseur?«
Er sank förmlich in sich zusammen. »Früher hab’ ich Nero rasiert. Er hat sich mit einem Rasiermesser umgebracht – wahrscheinlich war’s eins von mir. Seitdem sind alle Großen durch meine Hände gegangen. Ich habe Galba rasiert und Otho – dem hab’ ich sogar noch sein Toupet gereinigt!« Zum ersten Mal glaubte ich ihm: Nur ein echter Friseur würde so stolz seine illustren Kunden herunterbeten. »Und dann hab’ ich sogar Vitellius rasiert, wenn ihm mal einfiel, sich seinen Vierzehntagebart scheren zu lassen …«
Schon wieder hatte mich der Argwohn gepackt. »Und Vespasian?« fragte ich düster.
»Nein.«
»Wie steht’s mit Titus?« Er schüttelte den Kopf. Ich war zu alt, ihm das zu glauben. »Kennst du einen gewissen Anacrites?«
»Nein.«
Anacrites war der Oberspion im Palast und mir gar nicht grün. Falls jemand im Palatin eine private Hinrichtung befahl, dann hatte Anacrites bestimmt seine Hand im Spiel. Besonders, wenn ich das Opfer sein sollte. Das würde Anacrites gefallen.
Ich biß mir auf die Unterlippe. »Wie kommt es, daß ein kaiserlicher Barbier in einer Zeit, wo eine saubere Rasur so schwer zu finden ist wie ein Smaragd in einem Gänsemagen, sich seine schicken roten Treterchen als Botengänger auf dem Aventin einsauen muß?«
»Man hat mich degradiert«, sagte er (traurig).
»Auf einen schäbigen Posten beim Zustelldienst? Sehr unwahrscheinlich. Du lügst.«
»Ach, glauben Sie doch, was Sie wollen. Ich habe mein Bestes getan, um jeden, der unter dem Handtuch auftauchte, zufriedenzustellen, aber nun hat man keine Verwendung mehr für meine Dienste, und da Vespasian unnütze Esser haßt, bin ich dem Sekretär zugeteilt worden.«
»Hartes Los!«
»Allerdings, Falco! Die Flavier haben allesamt ein starkes Kinn. Ich war für Titus Cäsar zuständig …«
»Hübscher Wuschelkopf!«
»Genau. Ich hätte aus seinen Locken was Ansehnliches machen können …«
»Aber der Sieger von Jerusalem will seine hübsche Kehle nicht einer scharfen spanischen Klinge in den Händen eines Mannes anvertrauen, der zuvor schon Nero und Vitellius balbiert hat? Tja, mein Freund, wer könnte ihm das verdenken?«
»Oh, diese Politik!« Er spuckte das Wort förmlich aus. »Jedenfalls hat man mich jetzt dazu verdonnert, durch den Mist in stinkenden Gassen zu stapfen und endlose muffige Treppen hochzukraxeln, um angeblich dringende Depeschen bei unfreundlichen Zeitgenossen abzuliefern, die sich nicht mal die Mühe machen, sie zu lesen.«
Die Klagen machten keinen Eindruck auf mich. »Bedaure, aber ich bin nicht überzeugt. Hat Titus dich hergeschickt?« Der Barbier schüttelte ungeduldig den Kopf, aber mittlerweile war ich mir sicher. »Hör doch auf mit der Wackelei – sieht ja aus wie eine Hure an einem stressigen Abend nach den Rennen.«
»Woher dieses üble Mißtrauen? Ich bin doch bloß ein armer Wicht, für den die da oben keine Verwendung mehr haben.«
Und ob sie Verwendung hatten für ihn!
Ich las die Rolle, die Xanthus mir gebracht hatte, und stieß auf weitere schlechte Nachrichten.
Vespasians Instruktionen an mich hatte ein Sekretär geschrieben, dessen hübsche griechische Schnörkel gut als Dekoration auf eine Vase gepaßt hätten; sie zu entziffern war eine Qual. Während ich daran herumbuchstabierte, drückte der Friseur sich fest gegen eine Zimmerwand. Er schien vor irgendwas Angst zu haben. Vielleicht vor mir.
Als ich fertig war, blieb ich einen Moment schweigend sitzen. Mir war schwummrig von dem Wein, den ich mit Canidius getrunken, und von der Wurst, die ich wohl zu schnell heruntergeschlungen hatte. Aber nach dieser Lektüre wäre mir sowieso schlecht geworden. Was ich in Germanien zu tun hatte, war folgendes:
Der Vierzehnten Gemina das Geschenk des Kaisers überbringen und dem Kaiser
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