Eisenhand
ausgeben.«
Damit hatte er nicht ganz unrecht. In den Anfängen des Kaiserreiches hatten ständig Tyrannenimitatoren von sich reden gemacht: Caligula zum Beispiel wurde dauernd im Kreise verrückter Anhänger des Kaisers in fernöstlichen Ländern wiedergeboren.
»Sie glauben also, es sei nur Einbildung, wenn die Leute erzählen, sie hätten Civilis hier in der Gegend gesehen?«
»Er wäre jedenfalls ein Narr, wenn er sich auch nur in die Nähe der Vierzehnten Legion traute.« Der Abfall der batavischen Kohorten wurmte ihn offenbar immer noch sehr.
»Schicken Sie trotzdem Patrouillen aus?«
»Die haben bis jetzt nichts gefunden.«
Das heißt nicht unbedingt, daß es nichts zu finden gibt. »Könnte es denn sein, daß die Stämme sich wieder gegen Rom erheben?« Juvenalis hielt es offenbar für unter seiner Würde, mir Nachhilfeunterricht in Kolonialpolitik zu geben. Also spekulierte ich selbst drauflos: »Der alte Witz gilt immer noch, oder? Wenn ein Grieche, ein Römer und ein Kelte vor einer einsamen Insel Schiffbruch erleiden, dann gründet der Grieche eine Philosophenschule, der Römer stellt eine Rostra auf den Strand – und der Kelte bricht einen Streit vom Zaum.« Er funkelte mich mißtrauisch an; sogar als Witz war das Gleichnis noch zu metaphysisch für ihn. »Also dann, vielen Dank für …« Weiter kam ich nicht, denn in dem Moment ging die Tür auf.
Ich hätte mir sowas denken können.
Vielleicht durch Zufall, wahrscheinlich aber eher auf Veranlassung eines internen Nachrichtendienstes, gesellten sich einige hochrangige Vertreter der Vierzehnten zu uns. Als ich mich umdrehte, um sie in Augenschein zu nehmen, sank mir der Mut, so grimmig und entschlossen sahen die Herren aus. Unter ihnen erkannte ich Macrinus, den goldlockigen Ersten Tribun, der gestern mit Justinus gestritten hatte, und meinen Kontrahenten, den Primipilus. Begleitet wurden sie von mindestens drei sauertöpfischen Zenturionen und einem stämmigen, schweigsamen Mann, der vermutlich ihr Feldjäger war, ein Posten, den ich selbst einst bekleidet hatte, damals, als ich lernte, verdeckte Ermittlungen und Verhöre zu führen – samt all den unschönen Taktiken, die man benutzt, um letztere zu beschleunigen.
XXIII
Ich wurde auf einem Schemel plaziert. Sie bildeten einen so dichten Kreis um mich, daß ich nicht mehr hätte aufstehen können. Das vorhin noch so riesige Büro wurde zusehends kleiner, stickiger und dunkler. Unangenehm dicht hinter mir erklang das leise Klicken von Bronze gegen einen Leistenschutz. Aber ich konnte mich nicht einmal umdrehen, um festzustellen, welche Bewegung das Geräusch verursacht hatte. Der Tribun und die Zenturionen hatten die Hand griffbereit am Schwertknauf.
Ich spürte die Macht, die in einer über lange Zeit gewachsenen Legion waltet. Signale wurden mühelos weitergeleitet. Ein Kriegsrat fand sich fast von selbst zusammen. Verschwörungen innerhalb der Truppe würde kein Außenstehender je zerschlagen können, und die Männer waren – wie Bärenjunge – von Geburt an mordgierig.
Da wir uns in seinem Büro befanden, war es Sache des Präfekten, das Verhör zu führen. Die Zenturionen schwiegen denn auch.
Doch dann ergriff der Tribun als erster das Wort. Der güldene Macrinus fuhr sich gewohnheitsmäßig mit der freien Hand durchs Haar, um den natürlichen Goldschimmer besser zur Geltung zu bringen. »Die Frau des Legaten hat sich bei uns über einen Eindringling beschwert.« Seine kultivierten Lippen artikulierten jede Silbe so deutlich, als wollte er Traubenkerne ausspucken. Macrinus war ein gutaussehendes, eingebildetes Mannsbild mit Schlafzimmerblick. Ich konnte mir gut vorstellen, daß Mänia Priscilla mit ihren Sorgen schnurstracks zu ihm rannte. Er war in ihrem Alter, von ihrem Rang. Wenn sie nicht schon mit ihm ins Bett ging, dann wartete sie bestimmt bloß auf eine günstige Gelegenheit.
»Eine äußerst liebenswürdige junge Dame«, murmelte ich. Er wollte mich reizen, damit ich die Frau des Legaten ein verzogenes kleines Biest nannte. Sie alle wollten mich aufs Glatteis führen. Ich sah schon, wie die Finger des Präfekten nach dem Federkiel zuckten, begierig, eine Klage wegen Respektlosigkeit aufzusetzen.
»Ein Wicht wie du spricht unseren Tribun nur an, wenn der ihn dazu auffordert«, zischte Juvenalis.
»Bitte um Vergebung, Tribun. Aber ich habe mich bei der Dame für mein Eindringen entschuldigt. Ich dachte ja auch nur, der edle Florius Gracilis sei vielleicht erkältet und
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