Eisenhand
Mittagszeit präsentierte, lag schlicht und einfach an der laxen Geschäftsführung. Die Tische lehnten windschief an schlecht verputzten Wänden, wie Pilze an morschen Bäumen, und die Weinkrüge waren groteske Mißgeburten einer drittklassigen Töpferei. Die Gäste waren rüpelhafte Soldaten samt ihrem zwielichtigen Anhang. Wir bestellten das Tagesgericht, in der Annahme, wenigstens das sei frisch zubereitet – ein törichte Hoffnung.
Es war gerade noch warm genug, um draußen zu sitzen.
»Ah! Fleischklößchen!« rief Justinus höflich, als das Essen kam. Ich sah sein Interesse rasch wieder schwinden. »Sieht aus wie Kaninchen …« Was da auf dem Teller lag, waren wohl eher die durch den Wolf gedrehten Reste eines abgetakelten, zusammengebrochenen Packesels, dem Kummer und Räude den Garaus gemacht hatten.
»Wenigstens brauchen wir uns nicht wegen der Gewürze zu sorgen, weil nämlich keine drin sind …« Flüchtig kam mir der Gedanke, daß Julia Justa, die edle Mutter meines Tischgenossen, die schon wegen meiner Avancen bei ihrer schönen Tochter eine ganz schlechte Meinung von mir hatte, diese schwerlich ändern würde, wenn ich ihren Sohn in einer solchen Absteige vergiften ließ.
»Ist Ihnen nicht gut, Falco?«
»Wie? Oh … doch, doch!«
Ein Tribun verirrt sich nicht alle Tage hierher. Darum hatte der Wirt uns auch persönlich bedient. Wahrscheinlich dachte er, wir wollten ihn überprüfen – eine Aufgabe, auf die wir freilich beide nicht scharf waren. Nach einer Weile schickte er eine Kellnerin heraus und ließ fragen, ob wir noch einen Wunsch hätten. Dabei ging es weder um Essen noch Trinken.
»Wie heißt du denn, mein Kind?« fragte ich, scheinbar auf das leicht zu durchschauende Spiel eingehend.
»Regina.« Hier zappelte Justinus aufgeregt, wenn auch nicht aus dem Grund, den sie vermutete. (Er wußte von mir, daß Regina der Name der Freundin des verschwundenen Pagen des verschwundenen Legaten war.)
»Eine richtige kleine Prinzessin!« rief ich Justinus zu, aber so schelmisch, daß kein Mensch es glauben konnte. Ihr gefiel es trotzdem. Ich bestellte noch eine halbe Flasche und trug ihr auf, auch einen Becher für sich mitzubringen.
»Sie hat offenbar nichts dagegen, uns Gesellschaft zu leisten«, meinte Justinus, als sie verschwunden war. Anscheinend hatte er moralische Bedenken, weil ich das Mädchen so deutlich ermunterte. Meine Skrupel bezüglich der Medusa waren rein praktischer Natur. Ich hatte Angst, wir wären womöglich einer falschen Fährte aufgesessen und hätten uns ganz umsonst mit diesen elenden Frikadellen in Gefahr gebracht.
»Die Gäste zu unterhalten gehört zu ihrem Beruf, und schließt nicht aus, daß sie nach Dienstschluß noch ein anstrengendes Privatleben führt. Lassen Sie mich mit ihr reden«, setzte ich, rasch auf Griechisch umschwenkend hinzu, als das Mädchen mit unserem Wein zurückkam. »Und lassen Sie sich von mir ein paar Lebensregeln mit auf den Weg geben, mein Junge: Erstens, spiele niemals mit Fremden um Geld; zweitens, stimme nie für den Lieblingskandidaten; und drittens, traue keiner Frau, die ein Fußkettchen trägt …«
»In puncto Frauen sind Sie der Fachmann!« versetzte er trocken. Sein Griechisch war besser als das meine; zumindest beherrschte er die Sprache gut genug, um mühelos Grobheiten an den Mann zu bringen.
»Jedenfalls bin ich schon bei einer Menge Kellnerinnen abgeblitzt.« Und ins Lateinische zurückschaltend, sagte ich mit einem Augenzwinkern zu Regina: »Gespräch unter Männern, verstehst du? Der Tribun hat sich beklagt, daß ich seine Schwester ruiniere.« Das verschlafene Mädchen hatte prompt den Becher für sich vergessen; mit schalem Lächeln trottete sie wieder ab.
Justinus hielt den Blick auf seine Frikadellen gerichtet (die wirklich so aussahen, als ob sie eine gründliche Inspektion nötig hätten), während er in seinem leicht modulierten, reizvollen Griechisch weiterredete. »Wo wir schon mal dabei sind, Falco – ich wüßte wirklich gern, ob es ernst ist zwischen Ihnen und meiner Schwester.«
Sofort klappte ich das Visier herunter. »Es ist so ernst, wie es von meiner Seite nur sein kann.«
Er blickte auf. »Das sagt noch gar nichts.«
»Irrtum, Tribun. Es sagt genau das, was Sie wissen wollten: Ich könnte Helena niemals weh tun.«
Hier kam unsere Kellnerin zurück.
Regina setzte sich, ohne unser Gespräch zu stören. Sie war an Geschäftsleute gewöhnt, die erst ihren eigenen Handel unter Dach und Fach
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