Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
mich daran erinnerte, daß ich in vier, fünf Stunden vielleicht auch müde sein würde. Hatte ich in Argentoratum schon geglaubt, daß in der Provinz früh die Gehwege hochgeklappt würden, so erschienen mir die Leute dort nachträglich, im Vergleich zu Moguntiacum, wie die reinsten Nachteulen. Wenn hier in Moguntiacum der erste Mensch gähnte, verschwand gleich die ganze Stadt in den Federn. Um die Zeit, da ein kosmopolitischer Römer Appetit bekam und Lust auf seine abendliche Unterhaltung, standen hier bereits die Bänke hochkant auf den Tischen, und Nachzügler wurden von fuchtigen Saaltöchtern hinausgekehrt. Jeder, der sich zu langsam trollte, lief Gefahr, daß seine Tunika in der hinter ihm zugedrückten Falttür festgeklemmt wurde.
    Ich schlich durch die nüchternen Gassen und hoffte, daß ich niemandem auffallen würde. Ich wollte die braven Leute nicht erschrecken.
    Am Festungstor hatte ich Schwierigkeiten.
    »Parole?«
    »Woher soll ich die wissen? Ich bin bloß Gast hier.« Ein Jahr nach dem Aufstand herrschten in Germanien eherne Vorschriften. Ein solider Standpunkt – und eine schlimme Drohung für einen Menschen wie mich.
    Zum Glück kam die heutige Wachmannschaft von der Ersten und war hilfsbereit. Wäre es eine Abteilung der Vierzehnten gewesen, hätte ich die Nacht im Freien kampieren müssen.
    Ich erinnerte mich an mein Gespräch mit Justinus. »›Mars, der Rächer‹?«
    »Probieren Sie’s nochmal.«
    »›Pökelfisch‹?«
    »Hatten wir gestern.«
    »Oh Hades! Wie wär’s dann mit ›dem zweiten Vornamen des Lagerarztes‹?«
    »Haargenau!« dröhnte der Soldat, versäumte es allerdings, seine Speerspitze von ihrem empfindlichen Ziel zu entfernen: meiner Kehle.
    »Was denn noch, Mann?« krächzte ich.
    »Wie heißt er?«
    »Wie heißt wer?«
    »Wie«, versetzte er langsam und deutlich, »heißt der Lagerarzt mit dem zweiten Vornamen?«
    Die Vierzehnte hatte doch recht: Die Erste Adiutrix bestand aus einer Bande haarsträubend dummer Decksgehilfen und Halbaffen, die zwar vielleicht gelenkig in der Takelage herumturnen konnten, aber nur Stroh im Kopf hatten.
    Schließlich kam ich doch noch rein. Wer sich einmal in ein Bordell auf der Via Triumphalis reingeschmuggelt hat, um eine falsche Jungfrau von Cyrenaïca zu retten – und wieder rausgekommen ist, ohne seinen Humor oder noch mehr einzubüßen –, den kann der einfältige Torhüter einer Festung nicht aufhalten.
    Wutschnaubend (aber äußerlich beherrscht, für den Fall, daß jemand mich mit der Frage nach der Ursache meines Grolls in Verlegenheit brachte), steuerte ich raschen Schrittes auf meine Unterkunft zu. Wenn ich bis zum Abendessen nicht zurück war, würde Camillus Justinus womöglich ausgehen und mit seinen Offizierskameraden speisen, während ich mit den Semmeln von gestern vorlieb nehmen mußte. Um der traditionellen Pflicht des Besuchers nachzukommen und meinen Gastgeber um Haus und Hof zu futtern, schaute ich nicht rechts und links und legte noch einen Zahn zu.
    Keine fünf Schritte von der Tür des Tribun entfernt lauerten sie mir auf.

XXVII
    Zu dritt. Ein Soldatentrio, das in einer Wolke süßlichen Malzbierdunstes die Via Principalis runtertorkelte – betrunken genug, um gefährlich zu werden, aber nicht so hinüber, daß ich es allein hätte mit ihnen aufnehmen können.
    Zuerst hielt ich sie bloß für tolpatschig. Sie kamen mir im trunkenen Zickzack so in die Quere, daß ich stehenbleiben mußte, denn die Burschen waren offenbar zu unhöflich, um mich auch nur wahrzunehmen. Im letzten Moment taumelten sie aber doch noch auseinander, und dann hatte ich plötzlich je einen rechts und links von mir und den dritten im Rücken.
    Meiner Erfahrung verdankte ich das Warnsignal, das mir das Leben rettete. Ich sah zwar keinen Dolch, hatte aber die Armbewegung erkannt. Bei meinem blitzschnellen Ausweichmanöver riß ich einen anderen Angreifer fast um, schnappte ihn mir aber rasch und hielt ihn wie ein Kissen vor die Brust. Mit diesem menschlichen Schutzschild dribbelte ich ein paar Sekunden auf der Stelle. Seine Bartstoppeln kratzten mich am Hals, und seine Fahne stank bestialisch. Dann war die Sicherheit auch schon vorbei: Wenn der Kerl mich jetzt aus nächster Nähe attackierte, würde er mir erst recht gefährlich werden. Freilich durfte ich es nicht riskieren, ihn loszulassen, aber dieses Ekelpaket im Schwitzkasten zu halten war so gräßlich, daß ich, hätte ich die Wahl gehabt, lieber eine einfache Fahrt über den Styx

Weitere Kostenlose Bücher