Eisenhand
Schuldigen zur Rechenschaft gezogen. Aber ich protestiere gegen die Heimlichtuerei, mit der Sie hier vorgehen, und ich mißbillige, daß Sie mich allein herzitiert haben. Ich verlange einen meiner Männer am Tatort, ich verlange, daß einer meiner Zenturionen als Protokollführer anwesend ist …«
Bevor er mit seinem Klagenkatalog vollends abheben konnte, unterbrach ich ihn: »Keine Sorge, Tribun, hier wird schon nichts vertuscht. Aber niemand will doch wohl so ein Spektakel, wie Ihre Legion es in Augusta Taurinorum veranstaltet hat!«
Macrinus würdigte mich keiner Antwort. »Wer hat das getan?«
»Der Barbier.«
Das verschlug ihm die Sprache. Offensichtlich fiel ihm ein, wie er den kleinen Friseur als kaiserlichen Attentäter präsentiert bekommen hatte. Aller Augen richteten sich auf Xanthus. Für einen professionellen Attentäter sah er ziemlich mickrig aus.
»Manchem von uns dürfte ziemlich mulmig werden, wenn er sich das nächste Mal rasieren läßt«, sagte ich. Wie ein feiner Sprühnebel hatte das Blut des toten Soldaten die blütenweiße Leinentunika des Barbiers befleckt. Wie gewöhnlich hatte er sich so herausgeputzt, daß seine geschniegelte Erscheinung fernab eines Thronsaals peinlich wirkte. Die Blutflecken fielen doppelt störend ins Auge, so, als hätte er bei einer einfachen Rasur gepatzt.
»In meinem Beruf«, versetzte er ruhig, »wird man leicht zum Opfer übler Nachrede. Ich habe lernen müssen, mich zu wehren.«
»Das ist noch lange keine Entschuldigung für den Mord an einem Soldaten!« bellte Macrinus. Dem Mann fehlte einfach jeder diplomatische Schliff.
»Und Ihr Soldat«, warf ich ein, »hatte keinen Grund, mich zu ermorden!«
Vor soviel geballter Vernunft gab er sich endlich doch geschlagen. Es war offensichtlich, daß Justinus die Absicht hatte, alle Untersuchungen selbst zu übernehmen, wozu er, da das Verbrechen im Zuständigkeitsbereich der Ersten geschehen war, ja auch jedes Recht hatte. Mit einer letzten Giftspritze trat Macrinus den Rückzug an: »Sie sprechen von einem Zeugen. Ich hoffe, die Person ist unbescholten und vertrauenswürdig!«
»Absolut!« Justinus schien mit den Zähnen zu knirschen.
»Dennoch muß ich darauf bestehen, daß Sie mir diesen Zeugen nennen.« Macrinus spürte zwar, daß man ihn hier verulkte, war aber zu plump für einen diskreten Abgang.
»Es ist meine Schwester«, antwortete Justinus ruhig.
Ich zuckte zusammen. Er hatte wahrhaftig nicht übertrieben. Das Schlimmste stand mir noch bevor: Helena Justina war hier.
Wir sahen hoch zu dem erleuchteten Fenster. Sie stand immer noch an derselben Stelle, von der aus sie einen Teil meines Kampfes beobachtet haben mußte. Ihr Gesicht lag im Dunkel. Aber ihre unverwechselbare Gestalt, der Umriß der hochgesteckten Haare, ja, selbst die eleganten, tropfenförmigen Ohrgehänge warfen einen ebenmäßigen, länglichen Schatten herab, der bis über den Leichnam reichte und seine grausige Wunde in barmherziges Dunkel hüllte.
Der Tribun Macrinus straffte sich, strich seine steifen Ringellöckchen zurück und lieferte eine Ehrenbezeigung ab, wie sie sich für einen Tribun mit gesteigertem Selbstwertgefühl geziemt, wenn er die einzige unverheiratete Senatorentochter diesseits der Alpen grüßt.
Ich hatte die falschen Stiefel an, konnte also nicht zackig die Hacken zusammenschlagen. Darum winkte ich zu ihr hinauf, grinste ihren Bruder an und stolperte ins Haus.
XXIX
»Na, wieder mal gerauft, Falco?« Für ihre Verhältnisse eine glimpfliche Rüge.
Sie trug langärmlige Wolle und ziemlich dunkle Jettohrringe. Ihr braunes, seidiges Haar, das an den Schläfen mit Kämmen hochgesteckt war, schien eine Spur sorgfältiger frisiert als sonst; und ihr Parfum roch ich schon auf zwei Schritt Entfernung. Aber nach der Reise oder vielleicht auch, weil sie den Angriff auf mich mitangesehen hatte, wirkte sie erschöpft und abgespannt.
Ich war nicht zum Schäkern aufgelegt. »Es hat dich wohl amüsiert, mich leiden zu sehen?«
»Ich habe Hilfe geschickt.«
»Einen Barbier hast du mir geschickt!«
»Er scheint doch sehr tüchtig.«
»Das konntest du aber nicht wissen – ich glaube, er hat es nicht mal selbst gewußt.«
»Laß uns nicht streiten. Er war der erste, den ich finden konnte … Du kommst reichlich spät, wir haben mit dem Essen auf dich gewartet«, knutterte sie, als wäre damit alles geklärt.
Ich warf den Kopf in den Nacken und rief den Göttern zu: »Na also! Zurück zur Normalität!«
Bei uns
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