Eisenhand
niemals ein Kind schlagen würde.
Ich stolzierte zurück in mein Zimmer und war ganz deprimiert. Da wir nicht verheiratet waren, hatte Helena keinen Grund, von meinen Verwandten Notiz zu nehmen. Wenn sie es doch tat, konnte das nur ein Vorbote jener massiven Druckmittel sein, vor denen ich mich schon immer gefürchtet hatte.
Und tatsächlich: Nach ein paar kurzen Worten, gefolgt von einer erstaunlich zahmen Erwiderung Augustinillas, kam Helena herein und fing an zu erklären. »Sieh mal, Marcus, deine Schwester hat Probleme …«
»Wann hat sie die nicht?«
»Nicht doch, Marcus. Frauenprobleme , verstehst du?«
»Das ist wirklich mal was anderes. Normalerweise hat sie Probleme mit Männern.«
Seufzend bat ich sie, mich mit den Details zu verschonen. Victorina hatte immer schon über ihre Eingeweide gejammert. Wahrscheinlich hat sie ihrem Körper mit ihrem wildbewegten Leben einfach zuviel zugemutet, vor allem seit ihrer Heirat mit einem geistig zurückgebliebenen Stukkateur, der mit seiner Fähigkeit, in rascher Folge gräßlichen Nachwuchs zu zeugen, jedes Nagetier in Rom übertrifft. Trotzdem würde ich niemals jemandem eine Operation wünschen. Schon gar nicht eine dieser schmerzhaften und selten erfolgreichen Prozeduren mit Zangen und Dehnsonden, mit denen Frauen traktiert wurden. Ich hatte vage davon gehört.
»Weißt du, Marcus, die Kinder wurden aufgeteilt, damit deine Schwester sich in Ruhe erholen kann. Ja, und in dieser Lotterie hast du Augustinilla gewonnen.« Lotterie, daß ich nicht lache! Eine abgekartete Sache war das, sonnenklar! »Aber keiner wußte, wo du steckst.« Sollte ja auch keiner wissen.
»Und da haben sie dich gefragt! Augustinilla ist von der ganzen Brut die schlimmste. Hätte Maia sie nicht nehmen können?« Maia war die einzige halbwegs sympathische unter meinen Schwestern, und das brachte sie ins Hintertreffen, wann immer die anderen sich ein Problem vom Hals schaffen wollten. Ihre liebenswerte Natur sorgte dafür, daß sie sogar von mir ziemlich oft ausgenutzt wurde.
»Maia hat keinen Platz mehr. Und überhaupt – warum soll immer Maia diejenige sein, die sich opfert?«
»Hoppla! Du klingst ja schon ganz wie sie! Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du die Göre mit hierher bringen mußtest?«
»Was hätte ich denn sonst mit ihr machen sollen?« gab sie böse zurück. Ich hätte ein paar Vorschläge machen können, aber die Vernunft siegte. Helena war sowieso schon sauer. »Und wenn du’s genau wissen willst: Ich wollte den Leuten nicht auf die Nase binden müssen, daß ich dir durch halb Europa hinterherlaufe.« Im Klartext hieß das natürlich: Sie hatte nicht zugeben wollen, daß sie mir nach einem kleinen Streit durchgebrannt war.
Ich grinste sie an. »Ich liebe dich, wenn du so verlegen bist!«
»Ach, halt den Mund! Und um Augustinilla werde ich mich schon kümmern«, versprach sie. »Du hast ja wirklich genug zu tun. Justinus hat mir von deinem Auftrag erzählt.«
Ich setzte mich aufs Bett und fluchte leise vor mich hin. Mit einer von Victorinas ungezogenen Gören wollte ich nicht länger als nötig unter einem Dach bleiben. Helena, als wohlerzogene Römerin, hatte dagegen keine Wahl. In einem Militärkastell würde sogar meine eigenwillige Schöne ihren Freiheitsdrang zügeln müssen.
Helena hockte sich neben mich und tauschte meine Tunika gegen ihre eigene. Als sie sich das Gewand über den Kopf streifte, versuchte ich, wieder mit ihr zu schmusen.
»Mit dir zu reden ist geradeso, als wollte man einen Tausendfüßler als Masseur engagieren …« Ihr Kopf tauchte aus dem Halsausschnitt auf. »Wie weit bist du denn mit deinem Auftrag?« forschte sie.
»Ich mache Fortschritte.« Jetzt war ich mit Anziehen dran und Helena mit den Annäherungsversuchen, aber leider nutzte sie die Gelegenheit nicht, obwohl ich so lange wie möglich mit meiner Tunika herumtrödelte. Offenbar hatte ich meinen Spaß gehabt. Das leidenschaftliche Tête-à-tête, das Augustinilla unterbrochen hatte, würde heute keine Fortsetzung mehr finden.
»Was heißt Fortschritte, Marcus? Hast du schon irgendwas herausgefunden?«
»Nein. Bis jetzt habe ich bloß meinen Aufgabenkreis erweitert – jetzt suche ich auch noch einen verschwundenen Legaten, von dem sie in Rom gar nicht wissen, daß er fehlt …«
»Hier dürfte doch der ideale Ort sein, um Verdächtige zu überführen – so eine Festung, meine ich. Schließlich ist das eine hermetisch abgeschlossene Gemeinschaft.«
Ich lachte
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