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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Sehtest gemogelt hatten, und sie als Pfleger in der Krankenstation unterbringen. Er mußte die rauspicken, die weder Rechnen noch Schreiben oder anständig Latein konnten, und hatte dann die Wahl, ihnen das Versäumte nachträglich beizubringen oder sie wieder heimzuschicken. Er mußte sie alle über das Heimweh nach ihren Mädchen, ihrer Mutter oder ihrem Schiff hinwegtrösten (die Erste Adiutrix nahm immer noch abgemusterte Matrosen auf), ja, sogar ihre Sehnsucht nach der Lieblingsziege lindern (das Rückgrat der Legionen sind immer schon die zweitgeborenen Söhne kleiner Bauernfamilien gewesen). Er mußte sie vom Alkohol fernhalten und am Desertieren hindern; ihnen Tischmanieren beibringen und beim Aufsetzen des Testaments behilflich sein. Inzwischen hatte er sie gerade mal so weit, daß sie in geordneten Dreierreihen antreten konnten.
    Helvetius war froh, seine stumpfsinnige Schleiferei einen Moment unterbrechen zu können, um sich mit mir zu unterhalten.
    »Didius Falco? Natürlich, ich erinnere mich.«
    »Besten Dank. Sehr schmeichelhaft, daß ich einen so bleibenden Eindruck hinterlassen habe.« Natürlich konnte er sich nur an unsere erste und einzige Begegnung neben jenem Straßengraben erinnern, in dem seine Rekruten den grausigen Leichenfund gemacht hatten. Wir kamen kurz auf diesen traurigen Vorfall zu sprechen. »Deswegen bin ich übrigens hier.«
    »Habe ich mir gedacht.«
    Er ging alles ziemlich gelassen an. Die Jahre beim Militär hatten ihn gelehrt, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen und sich über nichts unnötig aufzuregen. Er hatte tiefbraune Augen, die auf südländische Abstammung deuteten, und ein Gesicht wie ein Frottierlappen – einer, mit dem die Stallknechte ihre erhitzten Pferde trockenreiben: zerknittert, steif geworden vom langen Gebrauch und völlig abgewetzt. Seine Illusionslosigkeit war ebenso sturmerprobt wie dieses Gesicht. Kurz gesagt, er war jeder Zoll ein grundsolider, verläßlicher Unteroffizier.
    Ich sagte ihm, der Tribun Camillus sei einverstanden, daß er seine Pflichten als Ausbilder für den Augenblick hintanstelle und sich statt dessen um ein Problem der einheimischen Handwerker kümmere. Helvetius war nur zu gern bereit, dem Töpfer einen Besuch zu machen, und so nahm ich ihn denn gleich mit zu den Werkstätten.
     
    Der Morgen war wieder herbstlich frisch, obwohl eine fahle Sonne den Tau zu trocknen suchte. Der Wechsel der Jahreszeiten trieb mich zur Eile. Ich erklärte Helvetius, daß ich wahrscheinlich schon bald auf die andere Rheinseite würde übersetzen müssen und möglichst vor Einbruch des Winters zurück sein wolle. Ich hatte wirklich nicht die geringste Lust, im Barbarenland eingeschneit zu werden.
    »Da drüben ist es zu jeder Jahreszeit übel«, meinte er grimmig.
    »Waren Sie schon mal da?«
    Er antwortete nicht gleich. »Nur, wenn irgendein beschränkter Tribun auf einer Wildschweinjagd in aufregenderen Gegenden bestanden hat.« Camillus Justinus meinte er damit sicher nicht. Beschränkt würde den wohl kaum jemand nennen.
    »Natürlich würde ein junger Kerl mit Senatorenstreifen den Nervenkitzel nicht so weit treiben, ohne Eskorte zu reiten … Haben Sie da drüben auch mal Ärger gehabt?«
    »Nein, aber man hat die ganze Zeit das untrügliche Gefühl, von Glück sagen zu können, wenn man ohne Zwischenfälle wieder nach Hause kommt.«
    »Ein paar von uns haben den Verdacht, der Legat der Vierzehnten könnte drüben sein.«
    »Gracilis? Wozu das denn?«
    »Um Civilis aufzustöbern – oder vielleicht auch Veleda.«
    Wieder trat eine kleine Pause ein. »Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.«
    »Nein? Und wie hätten Sie ihn eingeschätzt?« fragte ich.
    Helvetius, der ein echter Zenturio war, gluckste darauf bloß in seinen Bart, ein krauses Militärgestrüpp. »Er ist Legat, Falco. Und Legaten sind durch die Bank gräßlich.«
    Kurz vor der Töpferwerkstatt sprachen wir noch einmal vorsichtig über den gemeinsam entdeckten Mord. Helvetius wollte wissen, warum ich mich so für den Fall interessierte. Ich erzählte ihm von dem Streit in Lugdunum und wie mich die Erinnerung daran nicht losließ. Er lächelte.
    Ich wunderte mich über seine neugierige Frage. Da wurde sein Gesicht wieder ernst, ja, beinahe ausdruckslos, so, als sei er in Gedanken ganz woanders – irgendwo weit, weit fort. Doch als ich schon keine Antwort mehr erwartete, sagte er plötzlich: »Als wir die Leichen fanden, habe ich geschwiegen, Falco, weil ich Sie damals noch nicht

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