EISENHEIM: THRILLER: Erstes Buch (German Edition)
dieser neuen Ordnung führten zu nichts, außer dazu, dass er auch weiterhin nicht genug Alkohol und Drogen fand, um seine wahren Ängste zu betäuben. Ängste, die ihn letztendlich doch überrumpeln und irgendwann zur Strecke bringen würden. Mit Hanaas Entführung war alles noch viel schlimmer geworden. Seine Energiereserven neigten sich dem Ende zu. Dieser Fall noch, dann war Schluss. Die Patrone dafür trug er bereits seit drei Jahren immer bei sich – in der Kleingeldtasche seiner Jeans. Aber erst mit dem Verschwinden von Hanaa hatte er sich tatsächlich diesem Ultimatum stellen können. Einem Ultimatum, welches er bislang nur wie einen Schatten, wie eine mögliche Vision seines zukünftigen Lebensendes wahrgenommen hatte. Mit Hanaas Entführung war Jonathan Eisenheim aber wieder ganz bei sich und in einer längst verloren geglaubten Klarheit angekommen. Nur war er besessener als je zuvor. Dem selbst gestellten Ultimatum würde er daher nicht mehr ausweichen können. In seiner Wahrnehmung, die nun mehr um ihn herum von einem Pragmatismus beherrscht wurde, die keine andere Tragödie außer seiner eigenen diesen Stellenwert zuordnen konnte, war er nun an einem weiteren Scheideweg angekommen. Das Schicksal hatte wieder zugeschlagen, bemerkte Eisenheim respektvoll, während er Captain McGuires Ausführungen zu Kingfield vor der gesammelten Mannschaft gefolgt war. Doch Todd Kingfields Tod verblieb in seinen Augen – und das waren nicht mehr die Augen eines lebenshungrigen Menschen – als ein hinzunehmender Verlust auf dem Weg zu seiner eigenen Erlösung. Die Einschläge des Schicksals kamen näher, was Eisenheim nicht verwunderte. Die Würfel waren gefallen, das war‘s!
Dem Ermittlungsstand nach wurde Kingfield entweder in einem Handgemenge, in dem sich der Täter dann Kingfields Waffe griff, erschossen oder zuvor entwaffnet und dann gezielt erschossen. Da es sich bei der zweiten Variante um die Tat eines Profis handeln musste, tendierte man derzeit noch zu der Theorie mit dem Handgemenge. Eine Affekthandlung, sonst – so glaubte man – hätte der Täter selbst eine eigene Waffe gezogen. Doch noch war man nicht soweit. Die Spurensuche hatte bislang noch keine auswertbaren Abdrücke gefunden. Doch die Forensiker gaben nicht auf; es wurden nun alle Fingerabdrücke, die in der alten Hafenmeisterei zu finden gewesen waren, untersucht.
Nach der Besprechung hatte sich Eisenheim wieder an seinen Schreibtisch zurückgezogen. Ihm entging dabei nicht, wie ihn einige Kollegen mit seltsamen Blicken bedachten. Es wunderte ihn nicht. Sein auf die Außenwelt uninteressiert wirkendes Gemüt den Erwartungen der um Kingfield trauernden Kollegen anzupassen, konnte er jetzt nicht. Er wich ihnen bewusst aus, wollte gezielt keine Fragen zu Kingfield beantworten. Sein Kopf war ganz woanders, denn irgendwo vor ihm auf dem Schreibtisch lag Hanaas Schicksal verborgen! Eisenheim überflog noch einmal oberflächlich Protokolle, Skizzen und Zeugenaussagen. Dann hatte er eine Idee und räumte sogleich seinen Schreibtisch auf. Sämtliche Unterlagen, die diesen Fall betrafen, räumte er in eine tiefe Schublade seines Schreibtisches und legte obenauf, als gutes Omen gemeint, das Foto von Kathy und ihm. Dann erhob er sich zügig, und von einer Vorfreude getrieben, mit der man sich einen guten Film auch ein zweites Mal anschauen konnte, wollte er Foresters Fälle noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Detective Jonathan Eisenheim verließ das Gebäude am frühen Nachmittag. Und er verließ es mit einem befremdlichen Gefühl, das er nicht deuten konnte. Es schien ihm zu diesem Zeitpunkt sogar wieder unbedenklich, seine Gedanken nicht nur um Hanaa Cline, sondern auch um Todd Kingfield kreisen lassen zu dürfen. Er hatte die drei Fälle noch einmal durchleuchtet, bei denen maßgeblich der Privatermittler Derek Forester für die Aufklärung verantwortlich gewesen war. Nun war er sich sicher, dass sich in allen drei Fällen ein für ihn gut erkennbares Muster abzeichnete. Eisenheim war in seinem Innersten sehr wohl davon überzeugt, dass Derek Forester genau der Richtige für sie war. Und wohl auch gerade deshalb hatte er sich vorgenommen, bei einem nächsten Treffen diesem auch ganz freigiebig dieses gut erkennbare Muster unter die Nase zu reiben. Nur um zu sehen, wie der Privatermittler auf seine Entdeckung reagieren würde.
Am alten Hafen fand Eisenheim immer noch eine Vielzahl von Beamten, die sich nicht mehr nur
auf das verwahrloste
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