EISENHEIM: THRILLER: Erstes Buch (German Edition)
entgangen und sie somit ein rotes Tuch für die russische Geheimdienstführung geworden. Zum anderen war Ekaterina während dieser letzten Tournee dem Heroin verfallen, dem schließlich dann auch ihre Karriere wie auch ihr Leben zum Opfer fiel. Niemand beschattete einen Geist. Und das war Ekaterina Kasakov die letzten drei Jahre ihres Lebens gewesen. Eine dünne Hülle, die darauf gewartet hatte, das Endliche zu beschreiten. Dass Ekaterina noch einmal schwanger wurde und bald darauf starb, wurde schließlich nur noch als Aktenvermerk angeführt, womit man noch versucht hatte, dem bis dato hochrangigen General einen Dienst zu erweisen. Niemand hatte sich in dieser Zeit für Ekaterina und ihr ungeborenes Kind interessiert. Weder Russland noch der Generaloberst Kasakov selbst.
Während General Fomins Spaziergang, der ihn nun von dem Bereich des Kremls über eine Fußgängerunterführung direkt auf die zehnspurige Hauptstraße zum Lubjanka Platz führte, wunderte er sich, dass er jetzt erst mit dieser Präzision über diesen eigenartigen Fall nachdachte. Es war wohl Kalinin selbst und dessen unverblümte Reaktion auf die Akte gewesen, die ihn nun nachdenklich stimmte. Wie auch dieses leere Büro, in das ihn diese Neuzucht geführt hatte – all das sollte Fomin glauben machen, der Fall habe keine außerordentliche Relevanz. Die Parteiführung hatte gewechselt, doch das Innenministerium arbeitete weiter unter Hochdruck an diesem Fall.
Fomin schritt nun langsamer voran. Seine Hände hielten sich in seinem Rücken, während sein Kopf so weit gesenkt war, dass sein Kinn bald auf seiner Brust auftraf.
Es war der gesunde russische Menschenverstand und die damit angeborene Vorsicht vor diesem Innenministerium gewesen, was ihn dazu verleitet hatte, ein paar Änderungen zu seinen Gunsten vorzunehmen. Er war zwar bereit dazu gewesen, sein Wissen mit der Neuzucht Kalinin soweit zu teilen, dass es sich bei dem entführten Kind um das Enkelkind des Generaloberst gehandelt hatte, doch war er nicht bereit dazu gewesen, wichtige Trümpfe aus der Hand zu geben. Bobrow blieb zunächst außen vor, genauso wie auch Natalia. Dem Ministerium immer einen Schritt voraus zu sein – das war seine Lebensversicherung und Fomins wichtigstes Bestreben. Er fand seine Motivation so zu handeln – und seinem Informationsdienst an das Innenministerium nicht genauestens nachzukommen – darin, dass er den Umschwung, der diesem Land bevorstand, deutlich spüren konnte.
General Fomin blickte in den Himmel auf. Trotz eisiger Temperaturen an diesem Tag kam bei Fomin ein Gefühl für den bald erwarteten Frühling auf. Ein wolkenloser Himmel wollte ihm doch tatsächlich glauben machen, ewig zu leben. Fomin lachte; er war ein Urgestein genauso wie Generaloberst Kasakov. Und über kurz oder lang würde man ihnen allen eines Tages den Prozess machen. Kalinin war einer der vier apokalyptischen Reiter und mit ihm würde nur eines folgen: das Jüngste Gericht.
Fomin holte tief Luft und spürte die eisige Kälte in seinen Lungen einziehen. Dann blickte er der langen Straße bis zum Lubjanka Platz entlang und erkannte in kurzer Entfernung vor ihm seinen Wagen, der rechts, schräg an der Straße stand. Zwei zivile Fahrzeuge hatten seinen Fahrer Sergej eingekeilt. Schwere Maschinenpistolen zielten in das leere Innere seines ZILs.
Der General zog instinktiv die Mütze seiner Generalität vom Kopf und schritt zurück zur Unterführung. Es hatte begonnen. General Fomin hatte nicht mehr viel Zeit. Er musste auf die andere Straßenseite wechseln und sich dort ein Taxi nehmen.
Kalinin
Nachdem er General Fomin verabschiedet hatte, setzte er die Tür vorsichtig ins Schloss. Als sie zu war, schritt er zurück zum Schreibtisch, nahm den Ordner Fomins und eilte geradewegs quer durch den Raum auf eine weitere Tür zu. Diese führte zu einem ähnlich großen Raum. Dieser Raum war jedoch von beißendem Zigarettenqualm erfüllt.
Mindestens fünfzehn Männer saßen verteilt an Schreibtischen, die alle das Gleiche taten. Sie alle hatten Berge von Akten und Papiere vor sich auf den Tischen, die sie einzeln durchforsteten. Einige telefonierten, andere diskutieren heftig miteinander, während sie ein Stück Papier in die Luft hoben, wieder andere saßen da mit aufgestütztem Kopf, während sie über einem Papier brüteten und nicht ansprechbar schienen. Nur der Griff zur Zigarette, die vor ihnen geduldig im Aschenbecher schlummerte, schien noch ein Zeichen von Restleben in ihren
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