Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
hat einen Stadl, der ihm gehört, auf eigene Kosten als Jugendraum hergerichtet. Macht das gut, der Mann. Hat auch die Dorferneuerung sehr geschickt gelenkt, ist nicht alles Schwarz oder Weiß, Frau Straßgütl. Hat seine gute Seiten. Wie wir alle.«
»Trotzdem!«, maulte Evi.
Gerhard war auf Evis Seite und beschloss, Simmerl Tafertshofer auf jeden Fall die Fotos zukommen zu lassen. Vielleicht nutzten die wenigstens Tafertshofer beim Prozess um das Haus. Das war zwar nicht ganz korrekt, aber um dieses Arschloch sollten sich andere Instanzen kümmern.
»Hält so einen keiner auf?« Evi hatte sich immer noch nicht beruhigt.
Baier lächelte ein ganz feines Lächeln.
»Vielleicht ein Prozess«, und er zwinkerte Gerhard zu. Der verstand. Baier hatte Tafertshofer die Bilder bereits gegeben!
Ein Lichtblick, ein Hoffnungsschimmer – und eine neue Aufgabe, die auf sie zukam. Die Beschreibung des Mannes auf der Treppe passte hundertprozentig auf den Biobauern.
Als Evi, Baier und Gerhard auf dessen Hof vorfuhren, dämmerte es bereits. Im Stall war Licht. Der Bauer lehnte an einer Laufbox und lächelte. Als er die Kommissare kommen sah, winkte er sie näher. In einer großen Box war eine Kuh gerade dabei, ein Kalb trocken zu lecken.
»Es ist wenige Minuten alt und steht schon. Ein Wunder.«
Er lächelte, und auf einmal fiel Gerhard auf, wie jung der Bauer war. Wahrscheinlich noch keine dreißig. Aber es lag eine große Melancholie in seinen Augen.
»Komm, Kleiner, jetzt trink!«
Seine Mama schubste ihn sanft an, und er trank. Ein Winzling auf wackeligen Beinen, eine Szene wie aus einem Kinder-Bilderbuch übers Leben auf dem Bauernhof. Rührend und romantisch. »Ich freu mich jedes Mal, wenn’s gut geht.«
Er förderte eine Flasche Obstler und einige Gläser zutage.
»Stoßen Sie mit mir an. Auf den Kleinen. Auf das Leben.«
Der letzte Toast klang sarkastisch. Sie stießen an auf das Tier, dessen Bestimmung es war, ein Kalbsschnitzel zu werden. Aber bis dahin würde es ein schönes Leben haben. Mit der Frau Mama und den anderen Kälbern. Draußen auf wunderbaren Wiesen mit Bergblick. Ob Kühe Bergblick zu schätzen wussten bis zum Kalbsschnitzel?, überlegte Gerhard. Einfach ein gutes Leben einen Sommer lang?
Gerhard gab dem jungen Bauern das Schnapsglas zurück. »Danke. Sie waren Dienstagnacht in der Bräuwastlhalle. Sie wurden gesehen.«
Der junge Bauer mit den traurigen Augen nickte.
»Ich dachte mir schon, dass Sie kommen. Mein Nachbar, der alte Pius, war ganz aus dem Häuschen, weil er Ihnen erzählt hatte, dass ich in der Nacht weggefahren bin.«
»Was Sie tatsächlich getan haben?«, fragte Evi.
»Ja, und ich war in Peißenberg. Dieser Lepaysan hatte mich dorthin bestellt, damit ich ihm das Geld gebe. Ich bin gefahren, viel später als verabredet, ich war ja so lange im Stall wegen der Kuh. Das ist übrigens diese junge Schönheit.«
Er wies auf ein anderes Kalb, das schon etwas älter war und hinreißende Wimpern hatte.
»Ich bin diese Treppe hoch, da kam mir einer entgegen, und oben stand Lepaysan.«
»War er allein?«, fragte Evi.
»Nein, zwei Mädchen waren noch da. Waren gerade dabei, sich anzuziehen. Als ich kam, lachte Lepaysan mich aus. Seht her, so riecht der Bauernadel, kommt stinkend aus dem Stall zu mir. Die Mädels kicherten.« Er senkte den Blick.
»Und dann haben Sie ihn umgebracht. Wegen der Schmach und weil Sie das Geld nicht hatten?«, fragte Evi, noch immer ganz sanft.
»Nein! Ich habe ihm gesagt, dass es mir völlig egal wäre, wenn er mich bei Bioland anschwärzen würde. Dass ich nichts mehr zu verlieren hätte. Dass er gewonnen hätte.« Das klang nicht aggressiv, sondern resigniert.
»Gewonnen? Was meinen Sie damit?«, wollte Gerhard wissen.
»Na, was glauben Sie, wie der auf mich gekommen ist? Er hat letztes Jahr meine Frau bei einem Seefest am Lido in Seeshaupt entdeckt. Ihr Flausen in der Kopf gesetzt. Dass sie zu schön sei für das Bäuerinnen-Dasein.«
Er nestelte in seiner Latzhose und hielt ihnen ein abgegriffenes Foto hin. Eine junge Frau mit brünetten Locken, einem ebenmäßigen Gesicht, einem Grübchen am Kinn und einer perfekten Figur. Das Bild war am Starnberger See aufgenommen. Die Frau trug einen ganz schlichten Sport-Badeanzug. Und wirkte gerade deshalb viel erotischer als alle gestylten, aufgeschminkten Models von Lepaysans albernen Kalender-Inszenierungen.
»Sie ist wirklich außergewöhnlich hübsch«, sagte Gerhard.
»Ja, das hat der Scheißer
Weitere Kostenlose Bücher