Eisfieber - Roman
Regeln hier bestimme ich.«
»Dann gehe ich eben nach draußen.«
»Da erfrierst du.«
»Du bist nicht befugt, mich am Verlassen des Firmengeländes zu hindern.«
Toni zuckte die Schultern. »Das stimmt. Aber dein Handy bleibt hier.«
»Das ist Diebstahl!«
»Es ist aus Sicherheitsgründen vorübergehend konfisziert worden. Wir schicken es dir per Post zu.«
»Dann gehe ich eben in eine Telefonzelle.«
»Viel Glück.« Bis zur nächsten Telefonzelle waren es fast zehn Kilometer.
Osborne zog seinen Mantel an und ging hinaus. Toni und Steve beobachteten ihn durch die Fensterscheiben. Er setzte sich in seinen Wagen und ließ den Motor an. Dann stieg er wieder aus und kratzte etliche Zentimeter Neuschnee von der Windschutzscheibe, bis die Scheibenwischer funktionierten. Schließlich stieg er wieder ein und fuhr davon.
»Er hat den Hund hier gelassen«, sagte Steve.
Der Schnee fiel nun nicht mehr ganz so dicht. Toni fluchte verhalten. Das Wetter würde sich doch nicht ausgerechnet jetzt bessern – genau zum falschen Zeitpunkt?
Der Schnee türmte sich vor dem Jaguar, der nur mühsam den Anstieg zur Ausfahrt bewältigte, zu hohen Wechten auf. Hundert Meter vor dem Tor hielt er an.
Steve grinste. »Hab ich mir doch gedacht, dass er nicht weit kommen wird.«
Die Innenbeleuchtung des Jaguars ging an. Toni runzelte besorgt die Stirn.
»Sauer, wie er ist, bleibt er vielleicht da draußen sitzen, lässt seinen Motor laufen und dreht die Heizung voll auf, bis er keinen Sprit mehr hat«, meinte Steve.
Toni starrte angestrengt durch den treibenden Schnee und versuchte, Genaueres zu erkennen.
»Was tut er da eigentlich?«, fragte Steve. »Sieht aus, als würde er mit sich selber reden.«
Schlagartig realisierte Toni, was geschah, und ihre letzten Hoffnungen schwanden.
»O verdammt«, sagte sie. »Ja, er spricht – aber keineswegs mit sich selber.«
»Was?«
»Er hat ein Autotelefon! Der Mann ist Reporter und hat natürlich einen entsprechend ausgerüsteten Wagen. Verflucht, dass ich daran nicht gedacht habe!«
»Soll ich rauslaufen und verhindern, dass er weiterquatscht?«
»Schon zu spät. Bis Sie dort sind, hat er alles Wesentliche ausgeplaudert. Verdammt, verdammt, verdammt!« Alles ging schief. Am liebsten hätte Toni aufgegeben, sich irgendwo in einem dunklen Zimmer auf ein Bett geworfen und die Augen geschlossen. Aber sie riss sich zusammen. »Wenn er wieder reinkommt, schleichen Sie raus und schauen nach, ob er seinen Schlüssel hat stecken lassen. Wenn ja, sperren Sie den Wagen ab und stecken den Schlüssel ein. Auf diese Weise verhindern wir wenigstens weitere Telefonate.«
»Mach ich.«
Tonis Handy klingelte, und sie meldete sich. »Toni Gallo.«
»Odette hier.« Sie klang ziemlich erschüttert.
»Was ist los?«
»Jüngste Erkenntnisse. Eine terroristische Vereinigung, die sich ›Scimitar‹ nennt, versucht im Untergrund an Madoba - 2 zu gelangen.«
»Scimitar? Sind das Araber?«
»Klingt so, aber wir sind uns noch nicht ganz sicher – der Name könnte auch bewusst irreführend gewählt sein. Jedenfalls glauben wir, dass eure Diebe da oben in deren Auftrag handeln.«
»Meine Güte! Weißt du Genaueres?«
»Sie wollen das Virus schon morgen freisetzen, irgendwo an einem öffentlichen, viel frequentierten Ort in Großbritannien.«
Toni stockte der Atem. Obwohl sie und Odette bereits über ein solches Szenario diskutiert hatten, kam die Bestätigung nun wie ein Schock. Am Ersten Weihnachtstag blieben die Leute normalerweise zu Hause, doch am zweiten Feiertag, am Boxing Day, war das anders. Überall im Land gingen die Familien zu Fußballspielen, Pferderennen, ins Kino, ins Theater, zum Kegeln. Viele flogen zum Skilaufen in die Berge, viele zu einem Kurzurlaub an die Strände der Karibik. Es gab unzählige Möglichkeiten. »Aber wo genau?«, fragte Toni. »Bei welcher Veranstaltung?«
»Wissen wir nicht! Wir müssen daher unbedingt diese Diebe erwischen. Eure Polizei hat sich inzwischen einen Schneepflug organisiert und ist unterwegs zu euch.«
»Oh, gut!«
Toni fasste neuen Mut. Wenn wir die Kerle fangen können, sieht alles gleich ganz anders aus, dachte sie. Wir haben dann das Virus wieder unter Kontrolle, und die Gefahr ist gebannt; die Firma würde in der Presse gar nicht einmal so schlecht wegkommen – und Stanley wäre gerettet.
»Außerdem«, fuhr Odette fort, »hab ich die Polizeibehörden in den Nachbarbezirken sowie in Glasgow alarmiert, wenngleich die Musik wohl
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