Eisfieber - Roman
bisschen zu wärmen. Zu seiner Rechten schien der Boden anzusteigen – vermutlich lag also in dieser Richtung auch die Straße. Er stapfte ein paar Meter weiter und grub erneut im Schnee. Diesmal stieß er auf Asphalt. »Hier lang«, sagte er mit übertriebener Zuversicht.
Nach einer Weile begann der Schnee, der in geschmolzenem Zustand seine Jeans und seine Socken durchnässt hatte, wieder zu gefrieren, sodass er nun Eis auf der bloßen Haut trug. Sie waren jetzt eine halbe Stunde lang unterwegs, und Kit hatte das Gefühl, er ginge im Kreis. Sein Orientierungssinn versagte vollkommen. In einer normalen Nacht hätte er schon von weitem die Lichter des Hauses erkennen können, doch in dieser Nacht schimmerte nichts durch den dicht fallenden Schnee, das ihm hätte als Leuchtfeuer dienen können. Es herrschte absolute Stille, und nicht einmal das Meer war zu riechen – es hätte Dutzende von Kilometern entfernt sein können. Kit wurde klar, dass sie alle erfrieren würden, wenn er sich verirrte. Er bekam es mit der Angst zu tun.
Die anderen folgten ihm in erschöpftem Schweigen. Sogar Daisy hatte ihre Gehässigkeiten eingestellt. Sie waren kurzatmig, schlotterten und hatten nicht einmal mehr die Energie, gegen Kit und seine orientierungslose Führung aufzubegehren.
Endlich hatte Kit das Gefühl, die Dunkelheit um ihn herum würde dichter und der Schnee fiele nicht mehr ganz so heftig. Fast wäre er gegen einen großen Baum gestoßen. Sie hatten demnach den Wald unweit des Hauses erreicht. Kit fühlte sich so erleichtert, dass er am liebsten niedergekniet wäre und ein Dankgebet gesprochen hätte. Er kannte sich wieder aus!
Während er dem Pfad folgte, der sich durch die Bäume schlängelte, hörte er jemanden so laut mit den Zähnen klappern, dass es wie ein Trommelwirbel klang. Hoffentlich ist es Daisy, dachte er.
Er hatte jetzt jegliches Gefühl in den Fingern und in den Zehen verloren, doch seine Beine konnte er noch bewegen. Hier, im Schutz der Bäume, lag der Schnee nicht ganz so hoch, deshalb ging es auch etwas schneller voran. Ein schwacher Schimmer deutete die Lichter des Hauses an. Sie hatten den Wald durchquert. Kit hielt direkt auf die Lichtquelle zu und erreichte die Garage.
Die großen Tore waren geschlossen, aber es gab eine Seitentür, die immer offen blieb. Kit öffnete sie und ging hinein, die anderen drei folgten ihm. »Gott sei Dank«, sagte Elton erbittert. »Ich dachte schon, ich würde in diesem dämlichen Schottland verrecken.«
Kit knipste die Taschenlampe an. Vaters blauer Ferrari mit seinen üppigen Kurven stand sehr dicht an der Wand, daneben Lukes schmutziger weißer Ford Mondeo. Das war eine Überraschung, denn normalerweise fuhr Luke abends mit Lori nach Hause. Waren sie über Nacht geblieben oder …?
Kit ließ den Strahl der Taschenlampe bis zum anderen Ende der Garage wandern, wo sonst immer der Toyota Land Cruiser Amazon stand.
Der Platz war leer.
Kit hätte heulen können.
Ihm war sofort klar, was passiert sein musste. Luke und Lori lebten in einem Häuschen am Ende eines Feldwegs, fast zwei Kilometer von der Farm entfernt. Stanley hatte ihnen wegen des schlechten Wetters erlaubt, den Wagen mit Vierradantrieb zu nehmen – und der Ford, der in diesem Schnee auch nicht mehr taugte als der Astra, blieb logischerweise in der Garage.
»O verdammt«, sagte Kit.
»Wo ist der Toyota?«, fragte Nigel.
»Nicht hier«, erwiderte Kit. »Verdammt, jetzt stecken wir ganz gewaltig im Schlamassel.«
03.30 Uhr
Carl Osborne sprach in sein Handy: »Ist schon jemand im Nachrichtenbüro? Gut – stellen Sie mich durch.«
Toni kam durch die Große Halle auf seinen Sitzplatz zu. »Moment, bitte.«
Er bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand. »Was willst du?«
»Bitte leg auf, und hör mir zu. Es dauert nur eine Minute.«
Carl sprach wieder ins Telefon: »Macht euch bereit für eine Voice-Aufnahme – ich ruf euch in ein paar Minuten wieder an.« Er drückte den Gesprächsende-Knopf und sah Toni erwartungsvoll an.
Sie stand am Rande der Verzweiflung. Mit einem reißerischen Artikel, der alle Welt in Panik versetzen würde, konnte der Reporter unermesslichen Schaden anrichten. Toni hasste es, ihm gegenüber als Bittstellerin aufzutreten, aber sie musste ihm auf irgendeine Weise Einhalt gebieten.
»Das wäre mein Ende«, sagte sie. »Ich konnte nicht verhindern, dass Michael Ross dieses Kaninchen gestohlen hat – und jetzt haben Gangster Proben von
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