Eisfieber - Roman
sehen. Sie schien zu zögern.
Da sprach plötzlich eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher des Autotelefons: »Sie haben eine neue Nachricht.«
Craig schaltete und konnte nur hoffen, dass er auch tatsächlich den ersten Gang erwischt hatte. Er ließ die Kupplung los, und zu seiner großen Erleichterung griffen die Reifen wieder. Der Wagen bewegte sich vorwärts. Craig drehte das Steuerrad in Richtung Straße. Wenn er es bis zur Zufahrt schaffte, konnte er mit Sophie fliehen und Hilfe holen.
Daisy musste sich etwas Ähnliches gedacht haben, denn sie fummelte in ihrer Jackentasche herum und zog eine Pistole heraus.
»Runter mit dir!«, schrie Craig Sophie zu. »Die schießt gleich!«
Als Daisy die Waffe hob, trat er aufs Gaspedal und drehte gleichzeitig am Lenkrad. Nichts wie weg, nichts wie weg … Das war alles, was er noch denken konnte.
Der Wagen fing erneut an zu schlittern und rutschte über den eisigen Beton. Trotz seiner Panik hatte Craig ein Gefühl des Déjà-vu: Erst gestern war er an derselben Stelle mit demselben Wagen ins Schleudern geraten – und doch schien es schon eine Ewigkeit her zu sein. Wieder kämpfte er darum, die Herrschaft über den Wagen zu behalten, aber nachdem es die ganze Nacht über geschneit und gefroren hatte, war der vereiste Boden glatter denn je.
Er versuchte es mit Gegensteuern, und einen Moment lang griffen die Reifen erneut, doch dann überzog er, und der Wagen schlitterte in die entgegengesetzte Richtung und beschrieb einen Halbkreis. Sophie wurde von einer Seite auf die andere geschleudert. Craig rechnete jeden Moment mit einem ohrenbetäubenden Schuss, doch bis jetzt war er ausgeblieben. Das einzig Gute an der Sache ist, sagte Craig eine Stimme in seinem Kopf, dass diese Daisy auf ein Auto, das derart unkontrolliert gefahren wird, nicht richtig zielen kann.
Sie hatten unheimliches Glück: Der Wagen blieb schließlich mitten auf der Auffahrt stehen, und die Front zeigte genau in die richtige Richtung, also vom Haus weg und zur Straße hin. Und die Straße vor ihnen war offenkundig vom Schneepflug geräumt worden. Craig hatte freie Fahrt in die Freiheit.
Er drückte aufs Gaspedal, doch nichts passierte. Der Motor war ausgegangen.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Daisy die Pistole hob und sorgfältig auf ihn zielte.
Er drehte den Schlüssel im Lenkradschloss, und der Wagen machte einen Satz nach vorn: Craig hatte vergessen, den Gang herauszunehmen. Dieser Fehler rettete ihm das Leben, denn im gleichen Moment fiel der Schuss. Der Knall wurde nur unwesentlich gedämpft vom alles bedeckenden Schnee. Das Seitenfenster zerbarst, und Sophie kreischte auf.
Craig schaltete in den Leerlauf und drehte erneut den Schlüssel. Das heisere Gebrüll des Motors dröhnte in seinen Ohren. Als er die Kupplung trat und in den ersten Gang schaltete, sah er, dass Daisy ihn schon wieder im Visier hatte. Der Wagen fuhr an, und Craig duckte sich unwillkürlich – und hatte ein weiteres Mal Glück, denn diesmal zerschlug die Kugel das Fenster auf seiner Seite und gleich darauf sogar die Windschutzscheibe. Dort hinterließ sie ein kleines rundes Loch und drum herum ein undurchsichtiges Gewirr von großen und kleinen Rissen, das sich in Sekundenbruchteilen über die gesamte Scheibe ausbreitete. Nun konnte Craig nur noch verschwommene Silhouetten aus Dunkel und Hell erkennen. Trotzdem behielt er den Fuß auf dem Gaspedal und hielt sich, so gut er konnte, auf dem Fahrweg, denn er wusste, wenn er Daisy und ihrer Pistole nicht entkam, war er so gut wie tot. Neben ihm auf dem Beifahrersitz hatte sich Sophie zu einer Kugel zusammengerollt und bedeckte ihren Kopf mit den Händen.
Im Rückspiegel sah Craig, dass Daisy hinter dem Ferrari herrannte. Ein weiterer Schuss knallte. Das Telefon sagte: »Stanley, hier Toni. Schlechte Nachrichten – ein Einbruch im Labor. Rufen Sie mich bitte so bald wie möglich auf meinem Handy zurück.«
Craig nahm an, dass die Gangster, die Steepfall überfallen hatten, irgendetwas mit dem Einbruch zu tun haben mussten, aber er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Durch das zertrümmerte Seitenfenster glaubte er noch etwas sehen zu können und versuchte so, den Wagen zu steuern. Aber das erwies sich als Fehler: Schon nach wenigen Sekunden kam der Wagen von der geräumten Piste ab und wurde so scharf abgebremst, dass es Craig unwillkürlich nach vorn riss. Die Silhouette eines Baumes tauchte vor dem Labyrinth der Windschutzscheibe auf. Craig trat die Bremse
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