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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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war hochansteckend und verbreitete sich rasch durch Tröpfcheninfektion, also vor allem durch Husten und Niesen. Und es war absolut tödlich. Sie schauderte bei dem Gedanken daran und trat unwillkürlich das Gaspedal durch bis zum Anschlag.
    Da die Straße völlig frei war, dauerte es nur zwanzig Minuten, bis sie das einsam gelegene Haus von Michael Ross erreichte. Die Zufahrt war nicht leicht zu erkennen, doch Toni konnte sich noch gut daran erinnern. Der schmale Weg führte zu einem niedrigen Steinhaus hinter einer Gartenmauer. Nirgendwo brannte ein Licht. Toni hielt neben einem VW Golf, von dem sie annahm, dass er Michael gehörte. Dann drückte sie auf die Hupe. Lang und laut schallte es durch die Nacht.
    Nichts geschah. Weder gingen irgendwelche Lichter an, noch öffnete sich ein Fenster oder eine Tür. Toni stellte den Motor ab.
    Stille.
    Wenn Michael nicht hier war – warum stand sein Wagen dann vor der Tür?
    »Volle Montur, bitte, meine Herren«, sagte Toni.
    Alle Beteiligten stiegen in ihre orangefarbenen Schutzanzüge, auch die Insassen des zweiten Lieferwagens. Das war gar nicht so einfach: Die Schutzkleidung bestand aus schwerem Kunststoff, der sich nur mühsam biegen oder falten ließ und mit einem luftdichten Reißverschluss zugezogen wurde. Man half sich gegenseitig, die Handschuhe mit Isolierband um die Handgelenke zu binden. Zum Schluss wurden die Plastikfüße in große Gummistiefel gezwängt.
    Die Schutzanzüge waren absolut dicht. Die Träger atmeten durch so genannte HEPA -Filter, hochwirksame Luftpartikelfilter mit einem elektrischen Ventilator, der seinen Strom aus mehreren am Gürtel befestigten Batterien bezog. Der Filter hielt sämtliche lungengängige Teilchen fern, die mit Bazillen oder Viren verseucht sein und über die Atemluft aufgenommen werden konnten. Auch die stärksten Gerüche wurden weitgehend ausgefiltert. Das ständige Surren des Ventilators empfanden manche allerdings als nervtötend. Über einen in den Helm eingebauten Kopfhörer und ein Mikrofon konnte man sich auf einer verschlüsselten Frequenz sowohl untereinander als auch mit der Vermittlung im Kreml verständigen.
    Als alle ordnungsgemäß ihre Schutzanzüge angelegt hatten, konzentrierte sich Toni wieder auf das Haus. Wer jetzt dort aus dem Fenster schaute, hätte die sieben Personen wahrscheinlich für Aliens aus einem UFO gehalten.
    Nur – sofern sich überhaupt jemand in dem Haus aufhielt, so schaute er jedenfalls nicht aus dem Fenster.
    »Ich gehe voran«, sagte Toni.
    Mit steifen Schritten stakste sie in der unförmigen Plastikverkleidung zur Eingangstür, klingelte und ließ den Türklopfer scheppern.
    Als sich nichts rührte, ging sie um das Gebäude herum. Hinter dem Haus lag ein gepflegter Garten mit einem Gartenhäuschen. Toni stellte fest, dass die Hintertür nicht verschlossen war, und betrat das Haus. Es war die Küche; sie erinnerte sich, wie Michael damals bei ihrem Besuch hier Tee gekocht hatte. Rasch durchquerte sie das Haus und schaltete die Lichter ein. Die Rembrandts hingen nach wie vor an der Wand im Wohnzimmer. Das Haus war sauber, ordentlich aufgeräumt – und menschenleer.
    »Niemand zu Hause«, ließ sie die anderen über Kopfhörer wissen und merkte selbst, wie bedrückt ihre Stimme klang.
    Warum hat er das Haus verlassen, ohne die Türen abzuschließen, fragte sie sich. Vielleicht will er gar nicht mehr zurückkommen …
    Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Wenn sie Michael angetroffen hätten, so wäre das Rätsel vermutlich schnell gelöst worden. Nun aber mussten sie ihn erst suchen. Er konnte praktisch überall sein, und kein Mensch konnte voraussagen, wann man ihn fand. Die nervtötende, angstvolle Warterei konnte Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern – die reinste Horrorvorstellung!
    Toni ging wieder hinaus in den Garten. Um nichts unversucht zu lassen, probierte sie die Türklinke am Holzschuppen. Er war ebenfalls unverschlossen, und als Toni die Tür öffnete, nahm sie einen ganz schwachen, unangenehmen, aber doch irgendwie vertrauten Geruch wahr. Er muss verdammt stark sein, dass ich ihn durch den Filter hindurch riechen kann, dachte sie, und im selben Moment erkannte sie ihn: Blut. In dem Gartenhäuschen roch es wie in einem Schlachthaus. »O Gott!«, murmelte sie.
    Ruth Solomons, die Ärztin, hörte sie und fragte: »Was ist los?«
    »Augenblick!« In der Gartenhütte war es stockdunkel; Fenster gab es keine. Toni tastete nach dem Schalter, fand ihn, knipste das Licht

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