Eisfieber - Roman
machte jede Stunde die Runde durchs Hauptgebäude, und der Kollege aus dem Pförtnerhaus patrouillierte das Gelände. Anfangs hatte Toni geglaubt, drei Personen wären zu wenig für einen Hochsicherheitsauftrag wie diesen, aber die eigentliche Sicherheit ergab sich aus der ausgefeilten Technologie, während der menschliche Faktor lediglich eine Ergänzung darstellte. Trotzdem hatte sie die Wachen für die Weihnachtsfeiertage verdoppelt, sodass alle drei Posten mit jeweils zwei Personen besetzt waren und halbstündlich patrouilliert werden konnte.
»Wie ich sehe, haben Sie heute Abend Dienst.«
»Ich brauche die Überstunden.«
»Okay.« Das Wachpersonal arbeitete normalerweise in Zwölf-Stunden-Schichten, doch kam es immer wieder vor, dass jemand rund um die Uhr im Einsatz war, vor allem, wenn Ausfälle zu bewältigen waren, oder auch, wie jetzt, in Notfällen. »Kann ich den Notfallplan sehen?«, fragte Toni.
Tremlett reichte ihr eine laminierte Seite aus dem Ordner. Er enthielt die Telefonnummern, die im Brandfall, bei Überflutung, beim Zusammenbruch des Computersystems oder der Telefonanlage und anderen akuten Problemen angerufen werden mussten.
»Ich möchte, dass Sie in der nächsten Stunde all diese Nummern anwählen und sich erkundigen, ob sie über Weihnachten besetzt sind.«
»Wird gemacht.«
Sie gab ihm die Seite zurück. »Und haben Sie keine Hemmungen, die Polizei in Inverburn anzurufen, wenn Ihnen irgendetwas komisch vorkommt, und sei es auch nur eine Kleinigkeit.«
Er nickte. »Mein Schwager Jack hat zufällig heute Dienst. Meine Frau ist mit den Kindern rüber zu seiner Familie, damit sie Weihnachten nicht allein sind.«
»Wie viele Polizisten haben heute Abend in Inverburn Dienst? Wissen Sie das?«
»In der Nachtschicht? Ein Inspector, zwei Sergeants, sechs Constables. Außerdem steht ein Superintendent vom Dienst auf Abruf bereit.«
Das war nur eine kleine Truppe, aber sobald die Pubs geschlossen hatten und die Betrunkenen zu Hause waren, würde es ohnehin nicht mehr viel zu tun geben. »Sie wissen nicht zufällig, wer der Super vom Dienst ist?«
»Doch. Ihr Frank.«
Toni verzichtete auf einen Kommentar. »Ich lasse mein Handy Tag und Nacht angeschaltet und werde höchstwahrscheinlich nicht weit vom Schuss sein. Ich möchte, dass Sie mich sofort anrufen, sobald Ihnen die geringste Unregelmäßigkeit auffällt, egal zu welcher Zeit, okay?«
»Selbstverständlich.«
»Es macht mir nichts aus, wenn ich mitten in der Nacht aufgeweckt werde.« Sie würde allein im Bett liegen, erwähnte dies aber nicht, weil Tremlett dies vielleicht als peinliche Vertraulichkeit interpretiert hätte.
»Ich verstehe«, sagte er, und vielleicht stimmte es ja.
»Das ist alles. In ein paar Minuten bin ich fort.« Sie sah auf die Uhr; es war kurz vor 16 . 00 Uhr. »Frohes Fest, Steve.«
»Ihnen auch, danke.«
Er ging. Draußen brach bereits die Dämmerung herein, und Toni konnte im Fenster ihr Spiegelbild sehen. Sie sah zerzaust und müde aus. Sie schaltete ihren Computer ab und sperrte den Aktenschrank zu.
Es war Zeit, dass sie sich auf den Weg machte. Sie musste nach Hause, sich umziehen und dann noch zu dem Wellness-Hotel fahren, immerhin eine Strecke von 85 Kilometern. Je eher sie loskam, desto besser: Das Wetter sollte laut Vorhersage zwar nicht schlechter werden, aber Vorhersagen konnten auch falsch sein.
Irgendwie widerstrebte es ihr, den Kreml zu verlassen. Die Sicherheit der Firma war ihr Job. Sie hatte alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen – aber sie hasste es, Verantwortung zu delegieren.
Es kostete sie Überwindung, aufzustehen. Ich bin Abteilungsleiterin, kein Wachposten, dachte sie. Wenn ich alles Menschenmögliche zur Gewährleistung der Sicherheit getan habe, kann ich gehen. Wenn nicht, bin ich inkompetent und kann meinen Hut nehmen.
Der wahre Grund dafür, dass sie am liebsten geblieben wäre, war ihr durchaus bewusst: Sobald sie aufhörte zu arbeiten, würde sie unweigerlich an Stanley denken.
Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter und verließ das Gebäude.
Es schneite wieder heftiger.
16.00 Uhr
Kit war fuchsteufelswild wegen der Übernachtungsarrangements.
Mit seinem Vater, seinem Neffen Tom, seinem Schwager Hugo und Mirandas Verlobtem Ned saß er im Wohnzimmer, überwacht von Mamma Martas Porträt, das an der Wand hing. Für Kit wirkte sie auf diesem Bild immer ungeduldig, so als könne sie es kaum erwarten, aus dem Ballkleid
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