Eisfieber - Roman
auf die Dielen. »Können die uns nicht sehen?«, flüsterte sie.
Er sah zu, wie sie durch den Spalt linste. Ihre Haare waren hinter die Ohren gekämmt. Die Haut ihrer Wange sah unheimlich zart und weich aus. »Achte mal drauf, wenn du das nächste Mal in der Küche bist«, sagte er. »Unmittelbar neben dem Spalt ist eine Deckenlampe montiert. Er ist daher nur schwer zu erkennen, selbst wenn du weißt, wo er ist.«
»Also weiß praktisch niemand, dass du hier oben bist?«
»Na ja, den Speicher kennen natürlich alle. Und pass vor allem auf Nellie auf. Sobald du dich rührst, hebt sie den Kopf, spitzt die Ohren und lauscht. Sie weiß genau, dass du hier oben bist – und wer sie beobachtet, könnte ebenfalls Verdacht schöpfen.«
»Trotzdem ist das cool. Sieh mal, mein Vater! Der tut so, als ob er die Zeitung liest und macht in Wirklichkeit Miranda schöne Augen. Kotz, würg!« Sie drehte sich auf die Seite, stützte sich auf den Ellbogen und fummelte eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Jeanstasche. »Willste eine?«
Craig schüttelte den Kopf. »Wenn man ’s Fußballspielen ernst nimmt, darf man nicht rauchen.«
»Wie kann man Fußball ernst nehmen? Das ist doch ein Spiel! «
»Macht aber mehr Spaß, wenn man richtig gut ist.«
»Hast schon Recht.« Sie blies den Rauch aus, und Craig starrte wie gebannt auf ihre Lippen. »Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass ich Sport nicht mag. Ich bin ein solcher Spasti.«
Craig spürte, dass er eine Art Barriere durchbrochen hatte. Endlich redete sie mit ihm, und das, was sie sagte, klang gar nicht so dumm. »Worin bist du denn gut?«, wollte er wissen.
»Da gibt’s nicht viel.«
Er zögerte, dann plapperte er los: »Auf ’ner Party hat mir ein Mädchen mal gesagt, dass ich gut küssen kann.« Er hielt den Atem an. Irgendwie musste er das Eis ja mal brechen – nur: Es war vielleicht noch zu früh.
»Ach ja?« Ihr Interesse schien eher akademischer Natur zu sein. »Wie machste ’n das?«
»Soll ich ’s dir zeigen?«
Ein Anflug von Panik huschte über ihr Gesicht. »Kommt gar nicht in Frage!«, sagte sie und hob die Hand, als wolle sie ihn abwehren. Dabei hatte er sich gar nicht bewegt.
Craig wusste, dass er zu forsch gewesen war. Er hätte sich ohrfeigen können. »Keine Angst«, sagte er und lächelte, um seine Enttäuschung zu verbergen. »Ich tue garantiert nichts, was du nicht willst. Ehrenwort!«
»Es ist ja nur … weil ich diesen Freund habe.«
»Ach ja, ich verstehe.«
»Ja – aber das darfst du nicht weitersagen.«
»Und was ist das für einer?«
»Mein Freund? Der ist Student.« Sie wandte den Blick ab und kniff die Augen zusammen, um sie vor dem Zigarettenrauch zu schützen.
»An der Uni in Glasgow?«
»Ja. Er ist neunzehn und glaubt, ich wäre siebzehn.«
Craig wusste nicht, ob er ihr das abnehmen sollte. »Was studiert er denn?«
»Wen interessiert das schon? Irgendwas Langweiliges. Jura, glaub ich.«
Craig spähte noch einmal durch den Spalt. Lori streute gerade gehackte Petersilie über eine Schüssel mit dampfenden Kartoffeln. Er hatte auf einmal Hunger. »Das Essen ist fertig«, sagte er. »Ich zeig dir, wie du hier sonst noch rauskommst.«
Er ging zum anderen Ende des Speichers und öffnete dort eine große Tür. Ein schmaler Sims ragte aus der Mauer. Der Hof lag ungefähr fünf Meter unter ihnen. Oberhalb der Tür war an der Außenseite des Hauses ein Flaschenzug angebracht; mit dessen Hilfe waren das Sofa und die Teekisten auf den Speicher gekommen. »Von so weit oben kann ich aber nicht runterspringen«, sagte Sophie.
»Musst du auch nicht.« Mit den Händen befreite Craig den Sims vom Schnee. Dann ging er bis zu dessen Ende und gelangte mit einem großen Schritt hinunter auf das Pultdach über der Stiefelkammer. »Kinderleicht«, sagte er.
Sophie folgte ihm auf dem Fuße. Craig sah ihr an, dass sie Angst hatte. Am Ende des Simses bot er ihr die Hand, und sie griff unnötig fest zu. Er geleitete sie auf das Dach, kehrte noch einmal zurück, um die Speichertür zu schließen, und war dann schnell wieder bei ihr. Vorsichtig gingen sie über die rutschige schiefe Ebene abwärts. Unten angelangt, legte Craig sich auf den Bauch, glitt über die Kante und ließ sich auf den Boden plumpsen.
Sophie folgte ihm. Als sie auf dem Dach lag und ihre Beine über die Kante baumelten, packte Craig sie mit beiden Händen um die Hüften und hob sie herunter. Sie war leicht.
»Danke«, sagte Sophie mit triumphierendem Blick. Sie sah
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