Eisfieber - Roman
aus, als habe sie erfolgreich ein abenteuerliches Wagnis überstanden.
So schwierig war es ja nun auch wieder nicht, dachte Craig, als sie zum Essen gingen. Vielleicht ist sie ja doch nicht so mutig, wie sie immer tut.
15.00 Uhr
Der Kreml sah richtig hübsch aus. Überall auf seinen Wasserspeiern und Türmchen, seinen Portalen und Fenstersimsen lag Schnee und zeichnete die viktorianischen Verzierungen weiß nach. Toni stellte ihren Wagen ab und betrat das Gebäude. Es war still. Die meisten Angestellten waren bereits nach Hause gegangen, weil sie Angst hatten, im Schnee stecken zu bleiben – obwohl es ja im Grunde gar keiner Ausrede bedurfte, wenn man am Heiligabend etwas früher als sonst nach Hause wollte.
Toni fühlte sich verletzt und überempfindlich. Sie hatte so etwas wie einen emotionalen Autounfall hinter sich, sah sich aber gezwungen, alle Gedanken an Liebe und Liebesleid rigoros zu verdrängen. Dazu war später noch Zeit. Wenn sie heute Nacht allein im Bett lag, konnte sie noch genug über Stanleys Worte und Taten nachgrübeln – aber jetzt ging die Arbeit vor.
Sie hatte einen triumphalen Erfolg erzielt – und deshalb hatte Stanley sie umarmt. Doch trotz allem nagte eine Sorge an ihr. Ein Satz von Stanley wollte ihr nicht aus dem Kopf: Wenn uns ein zweites Kaninchen entkommt , geht alles wieder von vorn los … Er hatte Recht. Ein zweiter Vorfall dieser Art würde die Affäre sofort wieder hochkochen lassen, nur wäre dann alles zehnmal schlimmer, und mit PR -Tricks alleine ließe sich der Skandal nicht verhindern. Es wird keine weiteren Sicherheitspannen geben , hatte sie ihm versprochen, dafür werde ich sorgen . Jetzt lag es an ihr, ihren Worten Geltung zu verleihen.
Sie betrat ihr Büro. Die einzige Bedrohung, die sie sich vorstellen konnte, ging von den Tierversuchsgegnern aus. Der Tod von Michael Ross mochte andere auf dumme Gedanken bringen; sie könnten versuchen, weitere Labortiere zu »befreien«. Möglich war auch, dass Michael mit anderen Aktivisten zusammengearbeitet hatte, die eigene Pläne verfolgten. Er konnte ihnen sogar genau die Insiderinformationen gegeben haben, mit deren Hilfe sich die Sicherheitsvorkehrungen im Kreml umgehen ließen.
Sie wählte die Nummer des regionalen Polizeipräsidiums und ließ sich mit Superintendent Frank Hackett verbinden, ihrem Ex.
»Na, noch mal davongekommen, was?«, fragte er. »Hast unglaubliches Schwein gehabt. Man hätte dich öffentlich ans Kreuz schlagen sollen.«
»Wir haben nur die Wahrheit gesagt, Frank. Ehrlich währt am längsten, das ist die beste Strategie, wie du weißt.«
»Mir hast du nicht die Wahrheit gesagt. Ein Hamster namens Fluffy! Du hast mich wie einen Vollidioten aussehen lassen.«
»Das war nicht sehr nett, zugegeben. Aber du hättest ja auch die Story nicht gleich Carl Osborne weitererzählen müssen. Wir sind quitt, einverstanden?«
»Was willst du?«
»Glaubst du, das Michael Ross Mittäter hatte, als er das Kaninchen stahl?«
»Keine Ahnung.«
»Ich habe dir doch dieses Adressbuch gegeben und gehe davon aus, dass du alle möglichen Kontaktpersonen überprüft hast. Was ist zum Beispiel mit diesen Tierversuchsgegnern – sind das nur friedliche Demonstranten oder ist ihnen auch Schlimmeres zuzutrauen?«
»Meine Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.«
»Komm, Frank, ich brauche bloß einen kleinen Tipp in die richtige Richtung. Muss ich mit weiteren Vorkommnissen dieser Art rechnen?«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht helfen.«
»Frank, wir haben uns mal geliebt. Wir haben acht Jahre lang zusammengelebt. Geht das nicht ein bisschen anders?«
»Versuchst du mir mit dem Hinweis auf unsere ehemalige Beziehung vertrauliche Informationen zu entlocken?«
»Nein! Zum Teufel mit den Informationen, die bekomme ich auch woanders. Ich will bloß nicht von einem Mann, den ich mal geliebt habe, wie eine Feindin behandelt werden. Wo steht denn geschrieben, dass wir nicht freundlich miteinander umgehen dürfen?«
Es klickte in der Leitung, dann ertönte das Freizeichen. Frank hatte aufgelegt.
Toni seufzte. Würde er je wieder zur Vernunft kommen, dachte sie. Hoffentlich findet er bald eine neue Freundin, die beruhigt ihn dann vielleicht ein bisschen …
Sie rief Odette Cressy an, ihre Freundin bei Scotland Yard. »Ich hab dich in den Nachrichten gesehen«, sagte Odette.
»Wie sah ich aus?«
»Autoritär.« Odette kicherte. »Wie eine Frau, die niemals in einem
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